Wien/Graz – Im Prozess um eine angebliche Parteispende der Telekom Austria (TA), die der ÖVP zugeflossen sein soll und die laut Anklage zur Finanzierung des Grazer Gemeinderatswahlkampfs im Jänner 2008 verwendet wurde, ist der ehemalige TA-Finanzvorstand Gernot Schieszler als Zeuge befragt worden. Er ging unter Wahrheitspflicht davon aus, dass der Nettobetrag von 100.000 Euro der Bundes-ÖVP zugedacht war. Der Prozess wurde nun auf Juni vertagt.

"Wir hätten die Grazer ÖVP nicht gesponsert. Denn dann wäre die ÖVP Gramatneusiedl auch daher gekommen. Auch wenn's ein anderes Bundesland ist", sagte Schieszler am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht. "Das System" sei schon gewesen, "das ganz oben anzusiedeln. Auf Bundesebene. Das macht keinen Sinn, das einer Regionalorganisation zu übergeben." Man müsse "oben ansetzen. Gesetze und Verordnungen werden vom Bund gemacht". Ob die Bundes-ÖVP das Geld Richtung Graz weiter leitete, könne er nicht sagen: "Ob das weiter verteilt wird, war für mich irrelevant."

Schieszler genießt in Sachen Telekom den "Kronzeugen"-Status. Ehe konkret gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden, wandte er sich an die Justiz und gab dubiose Zahlungsvorgänge der Telekom preis – so auch die prozessgegenständlichen 120.000 Euro, die laut Anklage von der Telekom-Tochter eTel an eine Grazer Werbeagentur auf Basis einer Scheinrechnung für die vorgebliche Markenintegration der e-Tel, die zunächst als eigenständige Marke erhalten werden sollte, in die TA überwiesen wurden.

Schieszler, der von den Strafverfolgungsbehörden aufgrund seiner Kooperation nicht verfolgt wird, gab sich überzeugt, dass die Parteispende für die Bundes-ÖVP für den Nationalratswahlkampf im Herbst 2008 gedacht war. "Davon gehe ich aus", bekräftigte er auf Befragen von Staatsanwalt Volkert Sackmann. Auf Nachhaken des Staatsanwalts, ob der Geldfluss nicht doch – wie angeklagt – zur Stärkung der Schwarzen bei den Grazer Kommunalwahlen Anfang 2008 hätte dienen können, zumal der – von der Anklage mitumfasste – Grazer ÖVP-Geschäftsführer Bernd Schönegger bei den bundesweiten Wahlen ein paar Monate später in den Nationalrat einzog, erwiderte Schieszler: "Ein einfacher Abgeordneter? Bei allem Respekt, das zahlt sich nicht aus."

Grundsätzlich bemerkte Schieszler, die Telekom sei damals als teilstaatliches Unternehmen ständig finanzieller Begehrlichkeiten seitens politischer Parteien, ihrer Vorfeldorganisationen und Funktionäre und Lobbyisten ausgesetzt gewesen: "Irgendwann hinterfragen Sie das nicht mehr. Das ist Teil des Systems. Das kommt von der Beteiligung der öffentlichen Hand." Seine "moralische Betroffenheit" sei "schon in Ratlosigkeit abgeglitten", erinnerte sich Schieszler. Er habe sich "über Inhalt und moralische Aspekte keine Gedanken mehr gemacht". Ihm sei "schon ganz schlecht gewesen von dem Ganzen", so der frühere TA-Vorstand.

Schieszler betonte, er habe im gegenständlichen Fall nicht mit dem angeklagten Ex-TA-Vorstand Rudolf Fischer gesprochen, sondern sei direkt vom damaligen Head of Public Affairs auf die 100.000 Euro angesprochen worden, der zuvor als Organisationsreferent der ÖVP zur TA gewechselt hatte. Er habe den Rechnungstext "angesagt" und die beiden – ebenfalls von der Anklage umfassten – eTel-Geschäftsführer angewiesen, das Geld "freizugeben". Den beiden sei klar gewesen, dass die Überweisung "vorzunehmen und nicht zu hinterfragen ist".

Die Aussage der Grazer Werberin, die behauptet hatte, sie sei von Schieszler kontaktiert worden und habe von ihm Anweisungen in Bezug auf ihre "Scheinrechnung" an die eTel erhalten, wies der 46-Jährige zurück: "Ich hab' was anderes zu tun, als jemand in einem anderen Bundesland anzurufen und zu sagen, es sind 100.000 Euro abzuholen."

Auf die Frage von Richter Stefan Erdei, weshalb das Sponsoring an die ÖVP mit einem "Scheingeschäft" verdeckt wurde, erläuterte der Zeuge: "Ich gehe davon aus, diejenigen, denen die Parteispende zugegangen ist, wollten das nicht öffentlich machen." Aber auch die TA habe das Sponsoring einer politischen Partei wohl nicht publik machen wollen: "Wenn wir das damals offiziell gemacht hätten, hätten wir inserieren können 'Da habt's zehn Millionen, schnapst's es euch aus'." (APA, 28.4.2016)