Wien/Frankfurt/Schwechat – Lufthansa Chef Carsten Spohr stimmt Aktionäre und Mitarbeiter auf einen neuen Wachstumskurs ein. "Wir als Europas Nummer eins wollen bei einer Konsolidierung dabei sein und nicht nur zugucken", sagte Spohr auf der Hauptversammlung des Konzerns in Hamburg. Eine Neuordnung der Branche sei überfällig, damit hiesige Airlines gegenüber ausländischen Rivalen aufholen könnten.

Eines der ersten Ziele ist die Komplettübernahme von Brussels Airlines, die nun im September über die Bühne gehen soll.

Doch hinter den Kulissen ist die Konzernspitze nach Aussagen von Insidern schon weiter: Seit Monaten verhandle die Lufthansa mit den Rivalen SAS und Condor über Partnerschaften, hatten mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen zu Reuters gesagt. Die Gespräche könnten in Übernahmen resultieren. Die Airlines würden dann an den neuen Lufthansa-Billigflieger Eurowings angedockt werden. Spohr wollte sich dazu nicht äußern.

Für die Lufthansa wäre die Einkaufstour ein Strategieschwenk: Seit der Übernahme von Austrian Airlines (AUA) 2009 war der Konzern damit beschäftigt, Töchter zu sanieren oder zu verkaufen.

Einer der institutionellen Aktionäre kritisierte die Kursänderung. "Die Gier nach Größe ist der Lufthansa in der Vergangenheit nicht gut bekommen", sagte Ingo Speich, Portfoliomanager bei Union Investment. Anstatt in Übernahmen sollte die Lufthansa das überschüssige Kapital lieber in die Erneuerung der Flotte stecken. Voriges Jahr erwirtschafteten die 120.000 Mitarbeiter einen Rekordgewinn von 1,7 Mrd. Euro.

Der neue Spohr-Kurs ruft intern bereits Kritiker auf den Plan: Manager befürchten, dass die Lufthansa sich mit den Käufen und der Integration von teils sanierungsbedürftigen Rivalen übernimmt. Und von denen gibt es in Europa viele, meist frühere Staats-Airlines. Wegen ihrer kleinen Flotten und hohen Kosten haben sie kaum eine Chance, mit dem Führungstrio aus Lufthansa, Air France/KLM und British Airways/Iberia mitzuhalten. Der einstige Lufthansa-Chef Christoph Franz sprach von "Zombie-Airlines" und sagte ihr baldiges Ableben voraus.

Doch die Zombies erwiesen sich als sehr langlebig. Bis auf Spanair und die ungarische Malev blieb die große Marktbereinigung weitgehend aus. Für die portugiesische TAP oder Lot aus Polen findet sich seit Jahren kein Käufer. Eine der schwer angeschlagenen Branchenvertreter kommt aus Deutschland: Air Berlin flog 2015 knapp 450 Mio. Euro Verlust ein – ein Rekord.

Hier setzt der 49-jährige Spohr, der seit zwei Jahren im Cockpit der Kranich-Linie sitzt, an. "Konsolidierung ist ein Teil dessen, was in Europa passieren muss, damit die Branche wieder wettbewerbsfähiger wird gegenüber den USA und Asien." Vorbild sei die US-Flugbranche, wo die großen fünf Airlines 80 Prozent des Marktes beherrschten im Vergleich zu 40 in Europa, sagte er. Allerdings sind Übernahmen wegen der stärkeren nationalen Beschränkungen in Europa schwieriger zu bewältigen.

Trotz des andauernden Kostendrucks bei der Lufthansa steigen im übrigen die Gehälter des Vorstands. Die Hauptversammlung genehmigte heute mit 89,5 Prozent Zustimmung eine neue Gehaltsstruktur für die fünfköpfige Führungsmannschaft um Chef Spohr. Die variablen Teile des Entgelts werden an neue Kennziffern gekoppelt und sollen so perspektivisch rund 10 Prozent über dem bisherigen Niveau liegen, erläuterte Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber den im Hamburg versammelten Aktionären.

Die Vorstandsvergütungen seien seit 2008 nicht mehr erhöht worden, sagte Mayrhuber. Spohr hat nach dem alten System im vergangenen Jahr inklusive Aktienoptionen und Rentenansprüchen knapp 3,2 Millionen Euro (2014: 2,74 Mio Euro) verdient. Seine Bezüge sollen in der neuen Struktur mit einem Plus von rund 300.000 Euro stärker steigen als die der übrigen Vorstandsmitglieder (plus 100.000 Euro), um den Abstand zwischen dem Chef und den anderen Top-Managern zu vergrößern. Auch hier dienten andere Dax-Konzerne als Maßstab.

Der Konzern rechnet über das laufende Geschäftsjahr hinaus mit deutlichen Kostenvorteilen durch billigen Treibstoff. Er erwarte bei etwa gleich bleibenden Preisen und Wechselkursen für die Jahre 2017 und 2018 jeweils Entlastungen im mittleren dreistelligen Millionenbereich, sagte Lufthansa-Chef Spohr. 2015 bezahlte Lufthansa 5,8 Mrd. Euro für Kerosin und sparte damit bereits eine Milliarde Euro im Vergleich zum Vorjahr. Im laufenden Jahr will der Konzern noch einmal so viel einsparen. Auch in den kommenden Jahren solle eine Dividende gezahlt werden, die für 2015 nach einer Nullrunde 50 Cent pro Aktie beträgt. (APA/Reuters, 28.4.2016)