Amazon versucht, ein Premium-Segment für E-Reader zu erschließen.

Foto: Amazon
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Mit dem Kindle Oasis hat Amazon vor kurzem seine Serie an E-Readern um ein neues Gerät erweitert. Nachdem man bereits Preispunkte zwischen 70 und 190 Euro abdeckt, stößt man nun in neue Höhen vor. Denn das Gerät kostet stolze 290 Euro.

Große technologische Neuerungen bleibt das Gerät schuldig. Es gibt keine neue Displaytechnologie oder gar einen Farbbildschirm. Eben so wenig lässt sich das Gerät für Hörbücher oder andere Sonderfunktionen abseits des bekannten Repertoires nutzen. Trotzdem, so sind sich viele Tester einig, ist es erfolgreich gelungen, einen E-Reader zu einem ernstzunehmenden Luxusgut zu machen.

Dünnes Display, dicke Leiste

Äußerlich hebt sich der Kindle Oasis klar vom Rest der Serie ab. Er bietet ein dünnes Display und eine dickere "Leiste" auf einer Gehäuseseite. Diese beherbergt nicht nur die Hardware, sondern soll durch ihre Form das Halten des Gerätes erleichtern. Sie erinnere "an den Bund eines Buches und macht es leicht, [den Oasis] zu halten", lobt etwa das Time Magazine diese Ausgestaltung.

Neu sind außerdem auch zwei seitlich angebrachte Tasten zum Vor- und Zurückblättern. Auch Linkshänder können das Gerät problemlos nutzen, denn dank eines Lagesensors werden Bildschirminhalte automatisch mitgedreht.

Verbessertes Display

Beim Herzstück, dem Display mit sechs Zoll Diagonale, wurden inkrementelle Verbesserungen vorgenommen. Es erscheint bei gleicher Auflösung etwas weißer und heller, als der ohnehin schon gute Bildschirm des Kindle Paperwhite. Lesen im Sonnenlicht soll damit gut möglich sein, des Nachts reicht die Einstellung einer niedrigen Helligkeitsstufe. Bei Wired wird allerdings angemerkt, dass das Display etwas spiegeln kann, was unter stärkerem Lampenschein möglicherweise störend ist.

Durch Menüs und Einstellungen gelangt man per Toucheingabe. Dabei zeigt sich die übliche Behäbigkeit von E-Ink-Panels, aber keine auffällige Langsamkeit darüber hinaus. In puncto Software setzt Amazon auf das gleiche System, das man schon von anderen, neueren Kindles kennt. Man kann Wörter nachschlagen und in einem eigenen Vokabular-Katalog hinterlegen, Informationen über Charaktere, Orte und Szenen abrufen oder Textstellen über Twitter, Facebook und E-Mail teilen. Auch ein Webbrowser ist integriert.

Weiter ohne EPUB-Support

Lokal stehen vier GB Speicher zur Verfügung, Schmökerstoff kann aus der Amazon-Cloud nachgeladen oder per Kabel aufgespielt werden. Es gibt eine reine WLAN- und eine 3G-Variante des Readers, wobei für letztere ein Aufschlag von 60 Euro fällig wird.

Auch die Mankos werden beibehalten, Amazon geht von seiner Strategie des geschlossenen Ökosystems nicht ab. Unterstützt werden die eigenen E-Book-Formate (AZW, AZW3), Word-Dokumente, PDFs, sowie die nicht mehr ganz taufrischen Standards MOBI und PRC. Bücher in Form des weit verbreiteten, offenen Standards EPUB kann er nicht öffnen. Auch Bilder können geöffnet werden, sofern sie als BMP, JPG, PNG oder GIF vorliegen.

Wenig Ausdauer als Leichtgewicht

Mit etwas mehr als 130 Gramm ist der Kindle Oasis ein leichtes Gerät – leichter als die meisten Bücher, die man darauf liest, in analoger Form wären. Ein Argument, das für lange Leseabende nicht unwesentlich ist. Geschuldet ist das geringe Gewicht auch dem neuen Gehäusedesign, das jedoch auch Abstriche notwendig macht.

Und das führt zu einem Kritikpunkt, bei dem sich erneut die Tester einig sind. Die c‘t nennt ihn einen "schmerzhaften Kompromiss bei der Laufzeit". Aufgrund seines schlanken Äußeren hat Amazon den Akku drastisch verkleinert. Statt mehrerer Wochen hält der Reader nun nur noch ein paar Tage durch, ehe er wieder Energiezufuhr benötigt.

Workaround: Ladehülle

Amazon versucht, dies zu lösen, in dem man dem Gerät eine vom Guardian sehr gelobte Lederhülle beilegt, deren integrierte Batterie die gewohnte Laufzeit wiederherstellen soll. Wird dieses angelegt, relativiert sich allerdings der Vorteil der verbesserten Ergonomie. Zudem wiegt das Gerät inklusive Hülle rund 240 Gramm und damit ähnlich viel wie ein typisches Paperback-Buch mit etwa 150 Seiten. Das Cover kann auch verwendet werden, um den Bildschirm des Oasis zu schützen, die Rückseite deckt es dann allerdings nicht ab.

Für Luxus-Liebhaber

In summe sehen die Kritiker den Kindle Oasis als derzeit besten E-Reader an. Ob er den geforderten Preis allerdings wert ist, daran wird gezweifelt. Für die meisten Nutzer, so summiert es der Guardian, sollte der Paperwhite alle Ansprüche erfüllen. Wer sich auch beim digitalen Lesen einen Hauch Luxus wünscht, findet jetzt mit dem Oasis eine Alternative im Angebot. (gpi, 29.04.2016)