Bruno Pittermann, SPÖ-Chef und Vizekanzler, hält eine Ansprache zum 12. November vor dem Republikdenkmal, das 1961 Ziel eines Anschlags geworden war.

Foto: Votava

Bild nicht mehr verfügbar.

Dieser war der Auftakt für den Südtirol-Terror (im Bild: zerstörte Strommasten bei Bozen), der mehrere Jahre dauerte.

Foto: picturedesk / OeNB

Gerd Honsik (oben) und Norbert Burger (unten) schürten mit ihren rechtsextremen Gruppen den Südtirol-Konflikt.

Foto: Robert Newald
Foto: Robert Newald

Es regnete am Abend des 30. April 1961 in Wien – und das war gut so. Wäre es trocken geblieben, hätte die noch junge Republik womöglich Verletzte oder gar Todesopfer in der Wiener Innenstadt zu beklagen gehabt. Denn um 22.45 Uhr erschütterte eine Detonation den Schmerlingplatz zwischen Parlament und Palais Epstein an der Ringstraße.

An der Rückseite des Republikdenkmals war ein Sprengsatz detoniert. Der Schaltkasten für die Scheinwerfer, die das Denkmal beleuchteten, flog in die Luft, Trümmer wurden bis zu 50 Meter weit weggeschleudert. Fensterscheiben und zwei Oberlichten im Parlament gingen zu Bruch.

Mehr ist nicht passiert. Denn der traditionelle Fackelzug am Vorabend des 1. Mai, der genau am Denkmal vorbeiführt, war wegen des Regens abgesagt worden. Drei Tage später schwor Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) im Ministerrat empört, man werde "alles tun, der Täter habhaft zu werden". Mehr sagte Gorbach nicht. Den Verdacht sprach sein Vizekanzler, SPÖ-Chef Bruno Pittermann, aus: "Es wird mit den Anschlägen in Südtirol in Zusammenhang gebracht."

Diese Verknüpfung ist 55 Jahre später noch immer nicht restlos bewiesen – aber, so meint der Historiker Thomas Riegler, der sich mit dieser Frühphase des Rechtsterrorismus beschäftigt: "Vieles spricht dafür. Damals hat der Südtirol-Konflikt einen Schatten auf Österreich geworfen. Vor allem 1961 kam es zu einer Vielzahl von Anschlägen, vor allem in Wien." Seit sich der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) Ende der 1950er-Jahre der Forderung nach Selbstbestimmung verschrieben hatte, war es mit der "Ruhe der letzten Jahre" (Innenminister Josef Afritsch, SPÖ) endgültig vorbei.

Eskalation der Gewalt

Der BAS verübte seit Anfang 1961 in Südtirol "demonstrative" Bombenanschläge auf Rohbauten und Denkmäler. Und es sollte weitergehen: Wenige Wochen später, in der "Feuernacht" vom 11. auf den 12. Juni, wurden 37 Strommasten gesprengt.

Die italienische Regierung beorderte 24.000 Soldaten und 10.000 Carabinieri nach Südtirol, es kam zu Massenverhaftungen, bei Verhören wurde auch gefoltert. Der Grundstein für weitere Gewalteskalation war damit gelegt. Zwischen 1961 und 1967 starben in Südtirol 15 italienische Militärs, Polizisten und Zöllner, zwei Zivilisten, vier BAS-Leute, 57 Menschen wurden verletzt.

Italienische Neofaschisten verübten in der Folge Revanche-Terrorakte in Österreich: 1961 wurde das Andreas-Hofer-Denkmal in Innsbruck gesprengt, 1963 wurden die Saline in Ebensee und das Löwendenkmal am Traunsee zum Ziel.

1961 war das Alitalia-Büro am Kärntner Ring Ziel eines extremistischen Anschlags, fünf Jahre später, am frühen Morgen des 20. August 1966, vor 50 Jahren, detonierte dort eine Zehn-Kilo-Bombe. Das Geschäftsportal wurde zertrümmert. Die Druckwelle riss die Fensterstühle der umliegenden Häuser heraus und richtete noch in der tiefer gelegenen Opernpassage Verwüstungen an. Nur durch Zufall wurde niemand verletzt.

Die Täter, Hannes Falk und Emanuel Kubart, wollten nach eigener Aussage mit dem Anschlag gegen damals laufende Geheimverhandlungen zwischen Österreich und Italien protestieren.

Österreichische Deutschnationale und Rechtsextreme hatten ihrerseits den "Freiheitskampf" in Südtirol zu ihrem Leib-und-Magen-Thema gemacht. Und wie man an den beiden Alitalia-Attentätern sehen konnte: Nicht nur "die Italiener" waren der Feind, sondern auch die österreichische Regierung, die man für zu nachgiebig hielt. Für den Historiker war Südtirol dabei "gleichzeitig auch der passende Aufhänger für die Propagandierung eigener Inhalte und die Unzufriedenheit mit der noch ungefestigten Nachkriegsdemokratie".

Gruppe Werwolf

Anfang der 1960er-Jahre war es in Österreich, endlich, doch zu einigen Prozessen gegen NS-Täter gekommen. In Israel stand Adolf Eichmann vor Gericht. In einschlägigen Kreisen getraute man sich wieder, die (ohnehin nicht konsequente) "Entnazifizierung" als unrechtmäßig zu beklagen.

Spätere "Szenegrößen", wie der Innsbrucker Universitätsdozent Norbert Burger und der bis heute in Neonazi-Kreisen herumgeisternde Holocaust-Leugner Gerd Honsik, traten damals auf den Plan. 1961 gingen viele kleinere Sprengstoff- und Schussattentate auf das Konto der Gruppe Werwolf, die der damals 20-jährige Honsik gegründet hatte: etwa auf die italienische Botschaft, die Rückseite des Parlaments, die US-Botschaft.

Auch den Alitalia-Anschlag 1961 konnte die Polizei dieser Gruppe nachweisen. Manche Aktionen entbehrten nicht einer gewissen Komik. Die rechten Recken erwiesen sich als nicht eben begabt in terroristischen Angelegenheiten.

Als Honsik etwa nach der Attacke auf die italienische Botschaft am 8. Oktober 1961 von der Polizei einvernommen wurde, gab er, amtseingedeutscht, zu Protokoll: "Wir fuhren mit meinem Wagen in die Magazinstraße und starb mir der Motor dort ab. Da der Wagen trotz Anschieben nicht ansprang, ließen wir ihn vorerst ... stehen und gingen zu dem Würstelmann auf dem Rennweg, wo wir uns ,Heiße' kauften. Nach einer Weile gingen wir wieder zum Wagen und setzten uns hin ... Es gelang uns, den Wagen anzuschieben und sprang der Motor an ... Während ich bei der Botschaft vorbeifuhr, gab mein Bekannter glaublich fünf Schüsse ab."

Ein anderes Mal hielt Honsik ein Sprengstoffpaket mit brennender Lunte zu lange fest, was Schmauchspuren und Brandwunden beim Möchtegern-Attentäter zur Folge hatte. Beim versuchten Alitalia-Anschlag reichte wiederum die Zündflamme nicht aus, um die Pappkartonwand des Sprengkörpers zu durchbrennen.

Bekennerschreiben

Honsik und seine Leute versuchten auch, die Medien für ihre Zwecke einzuspannen. Dem damaligen "Kurier"-Chefredakteur Hugo Portisch schickten sie ein Bekennerschreiben. Das Ziel der Anschläge, so war zu lesen, sei: "Die österreichische Regierung mit Waffengewalt auf den Weg der unverfälschten Demokratie zurückzuzwingen, den sie noch nie beschritten hat."

Ende Dezember 1961 hatte die Staatspolizei dann genügend Beweise, um Honsik und seine Mittäter festzusetzen. Honsik bekam vier Jahre Haft, seine Mitstreiter Peter Melzer, Günther Kümel, Rainer Burghardt und Günther Pfeifer wurden ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt. Kümel sollte vier Jahre später bei der Demonstration gegen den antisemitischen Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz den Antifaschisten Ernst Kirchweger tödlich verletzen.

Nachdem Österreich und Italien den Südtirol-Konflikt 1969 auf dem Verhandlungsweg entschärfen konnten, suchte sich der Rechtsextremismus in Österreich neue Betätigungsfelder. Burger etwa gründete 1967 die Nationaldemokratische Partei (NDP), um die sich viele rechte und rechtsextreme Kleingruppen scharten.

Bis in die 1980er-Jahre verübten Neonazis aus diesem Umfeld antisemitisch motivierte Anschläge. Und letztlich sah sich auch der Bombenterror des Franz Fuchs in der Tradition der "Freiheitskämpfer" für Südtirol. (Petra Stuiber, 30.4.2016)