Erdbeere auf Hut: Aus Piers Atkinsons Sommerkollektion 2016

Foto: Piers Atkinson

STANDARD: Sie setzen den Frauen Kirschen, Barbies, Blumen auf den Kopf. Woher haben Sie all diese Ideen?

Atkinson: Ich lebe im Londoner Stadtteil Hackney, da leben viele Kulturen mit- und nebeneinander, dieser Mix interessiert mich. Auf einem Markt dort habe einen tollen Blumenladen entdeckt, gleich daneben gibts alles mögliche, My Little Pony, Puppen, Spielzeug. Die Welt der Hüte ist so furchtbar formell und in vielerlei Hinsicht stickig und begrenzt. Ich wollte etwas machen, was meine Freunde, die viel im Nachtleben unterwegs waren, tragen konnten.

STANDARD: Ihre ersten Entwürfe?

Atkinson: Meine erste Kollektion habe ich 2008 aus PomPons gemacht. Die sind einfach und billig herzustellen. Bald darauf bin ich in der Vogue gelandet. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich wollte einfach Hüte für meine Freunde designen. Plötzlich nahm alles eine Wendung und ich bin mit Vertretern großer Firmen zusammengesessen, habe Projekte mit Mattel und den Minions gemacht.

STANDARD: Mit was würden Sie einen Hut nie schmücken?

Atkinson: Ich bin niemand, der mit Farbbeuteln wirft, aber ich lehne es ab, Pelz zu verherrlichen.

STANDARD: Sie haben Hüte für Popstars und den Laufsteg gemacht. Was ist schwieriger?

Atkinson: Meist die Sachen, die ich für Designer mache. Da muss ich Dinge ausprobieren, die ich so noch nie gemacht habe. Für Zandra Rhodes habe ich riesige Schleifen aus einem schwierigen Material herstellen müssen.

STANDARD: Und all die Stars, denen Sie Hüte aufsetzen, kennen Sie die persönlich?

Atkinson: Manche ja, manche nein. Immerhin habe ich einige Mitglieder der Royal Family getroffen.

STANDARD: Wen genau, das müssen Sie erklären…

Atkinson: …nur so viel: Es gibt ein fantastisches Foto von mir mit Prinz Charles und Camilla. Für eine Charity-Veranstaltung habe ich für die beiden Masken hergestellt. Das war eine aufregende Sache!

STANDARD: Gibt’s Menschen, denen keine Hüte stehen?

Atkinson: Diese Frage mag ich ja besonders. Natürlich kann jeder Hüte tragen. Beanies oder Sonnenhüte zieht doch jeder an, oder? Viele britische Frauen tragen keine Hüte und jammern, wenn eine Hochzeit ansteht und sie eine Kopfbedeckung tragen müssen – bei uns ist das ja so üblich. Oft probieren genau diese Frauen dann ein paar Sachen an und dann höre ich plötzlich lauter "Ahs" und "Ohs". Man muss sich wohlfühlen mit der Kopfbedeckung, das ist das Geheimnis.

Foto: Piers Atkinson

STANDARD: Haben Männer eigentlich Angst vor Hüten?

Atkinson: Sieht ein bisschen so aus. Die Männermode der westlichen Welt ist ja sehr klassisch, Männer wollen meist diesem amerikanischen Wild West-Ideal entsprechen. Dabei war das alles schon anders. Wenn man zurückschaut und sich die Bilder von männlichen Mitgliedern des Königshauses ansieht, wurden die immer wieder mit Pelzen behängt dargestellt. Heute sind es die asiatischen Männer, die viel spielerischer mit Mode umgehen.

STANDARD: Dann jetzt mal andersrum: Haben Männer Angst vor Frauen mit Hut?

Atkinson: Vielleicht sollten sie. Nein, tatsächlich glaube ich, dass ein Hut ein guter Vorwand für einen Flirt sein kann. Letztens hat mir eine Bekannte erzählt, dass sie mit einem gebrochenen Arm in der Schlinge in einer Bar stand: Ein Mann nach dem anderen hat sie angesprochen. Der Arm war einfach ein zu guter Vorwand, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Mit Hüten könnte das ähnlich gut funktionieren, so nach dem Motto "Oh, was tragen Sie denn da auf dem Kopf?"

STANDARD: Der erste Hut in Ihrem Leben?

Atkinson: Meine Mutter, auch eine Hutdesignerin, hat in den 1970ern für die Serie "Doctor Who" einen Hut entworfen. Für mich als Kind schien das unglaublich. Als Zehnjähriger habe ich dann für meine Mutter mein erstes PomPom gemacht.

STANDARD: Sind Ihre Entwürfe typisch "britisch"?

Atkinson: Insofern, als dass es bei uns eine Tradition an Kopfbedeckungen für alle möglichen Anlässe gibt. Ach, und dann wäre da noch ein gewisses Humor-Verständnis und eine Freude am Brechen von Regeln.

STANDARD: Warum brauchen wir heute Hüte?

Atkinson: Um die Ohren warm zu halten und den Regen abzuhalten. Nein, ernsthaft: Mit Hüten lässt sich ein ganzes Outfit verwandeln.

STANDARD: Haben Sie in Wien auf der Straße schon welche gesichtet?

Atkinson: Ich habe in den letzten 24 Stunden jede Menge Schals gesehen. Und so viele Trenchcoats wie hier sind mir auch noch nicht begegnet. Aber vielleicht laufen nach dem Modepalast ja ein paar Menschen mit Kirschen auf dem Kopf herum. (feld, 30.4.2016)


Bis Sonntag, den 1. Mai, ist der Designer Piers Atkinson mit seinen Hüten noch beim Modepalast im Künstlerhaus Wien zu Gast.

Piers Atkinson stellt während des Modepalastes im Künstlerhaus aus