Das berühmte Opernpaar: Silvia und Giacomo Leopardi singen das Gedicht "A Silvia" von – wie könnte es anders sein – Giacomo Leopardi.

Foto: Herwig Prammer

Von so viel Innovation und Modernität sichtlich in die Enge getrieben, muss der Graf in der Jugendoper Capriccioso die sprudelnden Ideen der Intendantin des Geburtstagsfestes seiner Frau im Zaum halten. Als sie auch noch ruft: "Körper, Ausdruck, Wahrheit" seien der Inbegriff des neuen Musiktheaters, ermahnt er sie zur Vorsicht, denn "eine Mischung aus klassischem Gesang" würde der Frau Gräfin besser gefallen.

Die leidenschaftliche Diskussion um die Relevanz von Text und Musik fällt im Theater an der Wien durchaus vielschichtiger aus als in der Strauss-Oper Capriccio: 130 Jugendliche sind an der Plotentwicklung und der Umsetzung involviert. Sie schneiderten sich teils individuelle Rollen auf den Leib, wodurch auch der Tunichtgut, die Muse und der Trockenwasserballspieler Ivan Einzug in die Diskussion zwischen den beiden Polen Klassik und experimentelles Theater fanden.

Vom Tunichtgut bis zur Gräfin und den streitenden Schwestern: die aktionsreiche Bühne des "Capriccioso".
Foto: Herwig Prammer

Untermalt von der textnahen und intensiven Komposition von Florian C. Reithner, spielen etwa 30 der Jugendlichen auf der Bühne, während knappe 80 im proppenvollen Bühnengraben unter der musikalischen Leitung von Raphael Schluesselberg die Instrumente bedienen.

Nicht nur Jugendoper

Die Musik ist keinesfalls "kindisch", und auch die Dialoge sind nicht nur an ein junges Publikum gerichtet. "Etwas Gültiges machen" ist die Intention hinter Capriccioso; "mit den Jugendlichen so knapp wie möglich an die Grenzen gehen" das Ziel. Das konstante Wechselspiel, das ständige Ringen der beiden Lager kommt ohne jegliche Plumpheit aus, die Diskrepanz der Thematik wird um moderne Bezüge erweitert: Die beiden streitenden Töchter des Grafen, Maja und Bienchen, erarbeiten das Thema Familie, auch Feng-Shui und vegane Schnitzel halten Einzug. Die Interaktion mit dem Publikum liegt der experimentellen Intendantin sehr am Herzen – es kann schon passieren, dass man als Besucher von Badeschwämmen aus dem Drogeriemarkt getroffen wird.

Angelehnt an den Text Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar von Ingeborg Bachmann, macht die Symbiose aus klassischem Stoff und experimenteller Ausführung Capriccioso den Menschen auf vielen Ebenen zugänglich. Sowohl Bühne als auch Orchester glänzen mit einem bombastischen Finale. (Anja Krämer, 30.4.2016)