Wer einen Hund hat, der hat sich entweder ein Erst- oder ein Zweitkind ins Haus gelassen. Einen Lebensmittelkontrollor und Diätwächter. Psychosozialen Notdienst und Fitnesstrainer.

Abgesehen davon einen sich ungünstig selbstständig in Betrieb setzenden Lügendetektor, Beziehungstester und eine Alarmanlage. Zu Mittag und um drei in der Früh. Bei pikanten Situationen sogar mit allen drei Bereichen gleichzeitig. Den Paarberater gibt das treue Tier dann aber leider doch nicht.

Da tritt es dann dezent und konspirativ in den Hintergrund und überlässt alles nun Folgende dem Lauf des Schicksals, ist ein Kavalier und genießt. Und wenn man auf Dienstreisen muss, muss man mit "Gone with the Wind"-reifen Schmachtszenen rechnen.

Aus diesem Grund bereite ich die Abreise lieber unbeobachtet vor, um das Leid zumindest zu minimieren. Nach häufigen Lesereisen ging das Problem so weit, dass ich gezwungen war, den Koffer unauffällig auf dem Gang zu packen und ihn hinter der Eingangstür zu verstecken – bis mir einfiel, dass ich etwas vergessen hatte.

Ich legte Leckerlis aus, rannte hinaus mit klopfendem Herzen und stopfte das Kabel in den Kofferspalt. Der Hund folgte mir aber trotz Häppchen und erwischte mich in flagranti. Unsere Blicke begegneten sich. Der Hund schwieg vielsagend. So furchtbar hatte ich mich nicht einmal bei der Scheidung gefühlt. (Julya Rabinowich, 30.4.2016)