Teheran – Im Iran stellen Reformer und Moderate zum ersten Mal seit 2004 die stärkste Gruppierung im Parlament. Laut Endergebnis vom Samstag holten sie bei der zweiten Runde der Parlamentswahl 38 der 68 noch offenen Sitze. Insgesamt kommt das gemäßigte Lager nun auf 133 der 290 Sitze, die Konservativen stellen 125 Abgeordnete. Im neuen Parlament sind zudem erstmals mehr Frauen als Geistliche vertreten.

Zwar verpasste die Liste "Hoffnung" der Reformer und Moderaten die absolute Mehrheit um 13 Sitze, dennoch stärkt das Ergebnis den gemäßigten Präsidenten Hassan Rouhani. Das konservative Lager, das zwölf Jahre lang das Parlament dominierte, steht Rouhani skeptisch gegenüber. Die restlichen Mandate gingen an unabhängige Kandidaten oder Vertreter von Minderheiten, deren politische Ausrichtung zunächst noch unklar ist.

Hardliner nicht mehr vertreten

Bei der ersten Wahlrunde im Februar hatte das gemäßigte Lager schon 95 Sitze und das konservative Lager 103 Sitze erobert. Allerdings hatten die Wähler schon damals die für ihre kompromisslose Haltung bekannten Hardliner abgestraft. Sie sind im neuen Parlament nicht mehr vertreten.

Insgesamt sitzen nun 17 Frauen in der Volksvertretung – acht mehr als bisher und so viele wie noch nie seit der Islamischen Revolution 1979. 15 der neuen weiblichen Abgeordneten sind Reformerinnen. Im scheidenden Parlament saßen neun Frauen, die alle den Konservativen angehörten. Allein in Teheran, dessen 30 Mandate komplett an die Liste "Hoffnung" gegangen war, wurden acht Frauen gewählt – aber nur ein Geistlicher.

Insgesamt sind nur noch 16 Geistliche im neuen Parlament vertreten, elf weniger als davor. Damit setzt sich der seit 1980 anhaltende Rückgang der Vertreter der Geistlichkeit im Parlament fort.

Die Stichwahl am Freitag war nötig gewesen, da keiner der Kandidaten in 68 Wahlkreisen das Quorum von 25 Prozent der Stimmen erreicht hatte. Gewählt wurde etwa in Großstädten wie Tabriz, Shiraz und Ahvas. Die konstituierende Sitzung ist für Ende Mai geplant.

Die Macht des iranischen Parlaments ist begrenzt im Vergleich zu anderen Institutionen wie zum Beispiel dem konservativen Wächterrat, dessen Mitglieder zum Teil vom geistlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei ernannt werden. Trotzdem kann Rouhani das Wahlergebnis als persönlichen Erfolg verbuchen. Er wird sich bei der Präsidentenwahl in einem Jahr für eine zweite und letzte Amtszeit bewerben.

Politik der Annäherung

Rouhani verfolgt seit 2013 eine Politik der Annäherung an den Westen, die im Juli 2015 in dem historischen Abkommen mit den UNO-Vetomächten und Deutschland im jahrelangen Streit um das iranische Atomprogramm gipfelte. Daraufhin wurden im Jänner die Finanz- und Handelssanktionen gegen Teheran aufgehoben. Da konkrete wirtschaftliche Verbesserungen bisher noch auf sich warten lassen, macht sich allerdings langsam Enttäuschung in der iranischen Bevölkerung breit.

Doch die neue Zusammensetzung des Parlaments dürfte wirtschaftliche Reformen erleichtern und den von den Reformern geforderten sozialen Wandel beschleunigen. Das scheidende Parlament hatte Rouhanis Politik immer wieder blockiert und sogar einen seiner Minister abgesetzt.

Als eine seiner letzten Amtshandlungen beschloss das alte Parlament unterdessen eine Aufstockung des iranischen Arsenals an ballistischen Raketen, wie die amtliche Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag meldete. Rouhani und die Militärführung hatten bereits angekündigt, dass aus Gründen der Abschreckung die ballistischen Kapazitäten erhöht werden sollten. Der Iran hatte Ende März mit Raketentests die Kritik Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA auf sich gezogen. Sie argumentieren, die Tests würden gegen das Atomabkommen verstoßen, da einige der getesteten Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten. Teheran bestreitet dies. (APA, 1.5.2016)