Bis vor wenigen Tagen flogen Farbbeutel – Namensgeber für die "bunte Revolution" – gegen Regierung und Konterfeis von deren Vertretern. Präsident Gjorge Ivanov (rechts) und Premierminister Nikola Gruevski (links) stehen im Mittelpunkt der Kritik.

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Zurzeit werfen die Leute in Skopje nicht mit Farbbeuteln, sondern schenken einander nur bunte Eier. Der Machtkampf in Mazedonien ist aber noch lange nicht zu Ende. Jetzt ist aber erst einmal Osterpause für die Orthodoxen. Mazedonien ist nicht nur innenpolitisch, sondern auch geopolitisch in einem Schwebezustand. Seit 2005 wird die Integration in die EU und Nato durch das griechische Veto wegen des Namensstreits verhindert, und seither oszilliert das Land zwischen westlichen und östlichen Interessen.

Das merkt man auch in der aktuellen Staatskrise. Russland unterstützt das Anliegen der nationalkonservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE, am 5. Juni Wahlen abzuhalten. Die EU und die USA wollen die Wahlen nun eher verschieben. Das wird wohl auch passieren, denn die sozialdemokratische Opposition kann innerhalb der Wahlkommission verhindern, dass die Wahllisten unterschrieben werden.

Die USA unterstützen traditionell in der Region die Albaner – in Mazedonien etwa ein Viertel der Bevölkerung. Die größte albanische Partei DUI ist deshalb so etwas wie der Partner des Westens in der Regierung. Seit Präsident Gjorge Ivanov aber eine Amnestie für korruptionsverdächtige Politiker erlassen hat, ist die DUI zum entscheidenden Faktor geworden. Der "Westen" will, dass sie die Allianz mit der VMRO aufgibt.

In Mazedonien geht es nicht nur um einen Wahltermin oder um die Zukunft von Parteien, sondern auch um Einflusssphären. Die USA locken mit einer Nato-Mitgliedschaft. Russland verdächtigt angesichts dessen hingegen den Westen, ein Ukraine-Szenario heraufzubeschwören.

Destabilisierung des Balkans

Fakt ist, dass die USA an der Seite der EU seit einem Jahr an den Vermittlungen mit den vier Parteichefs beteiligt sind. Als sich die Krise vor einem Jahr zuspitzte, meldete sich auch das russische Außenministerium zu Wort. Und als im April die Proteste – die sogenannte bunte Revolution – begannen, warnte Moskau: "Die Verwendung des 'Ukrainischen Szenarios' und Versuche, illegale Taten und einen Staatsstreich von außen zu befeuern, könnte zu schweren Erschütterungen in Mazedonien und einer Destabilisierung am Balkan führen."

Das russische Außenamt kritisierte die Opposition, die "zu einem Werkzeug" geworden sei, "einen internen Konflikt anzuzetteln", um die Wahlen am 5. Juni zu stören. Weiters forderte die russische Regierung "die westlichen Partner" auf, zu der Vereinbarung bezüglich der Wahlen zu stehen.

Der russische Botschafter in Mazedonien, Oleg Schtscherbak warnte kürzlich in einem Interview mit Nova Makedonija davor, dass sich die EU und die USA über "bestimmte Regeln" hinaus engagierten. "Alle Versuche, von außen Druck auszuüben – auch durch offene Manipulation der Zivilbewegung – kann zu desaströsen und unvorhersehbaren Konsequenzen führen", so Schtscherbak, der in dem Zusammenhang auch die Ukraine nannte. Es gebe zudem Beispiele, wo eine Amnestie Positives bewirkt habe, verteidigte er Ivanov. So etwa 1994 in Russland, als alle pardoniert waren, die wegen des Coups 1991 angeklagt waren.

Das Spiel von wem anderen

Russland reagiert schnell. Als die OSZE nun Unterstützung für die Zivilgesellschaft signalisierte, die auf die Straße geht, protestierten russische Vertreter sogar beim Generalsekretär. Die russischen Narrative von der "Manipulation von außen" ähneln stark der Rhetorik des Präsidenten selbst. In seiner Rede an "die Bürger" anlässlich der Amnestie, schrieb Ivanov, dass die Krise von "jemandem anderen" geschaffen wurde. "Was in Mazedonien passiert ist, ist nicht unser Spiel. Es ist das Spiel von wem anderen", so der Staatsschef.

Er mutmaßte, dass jemand Politiker "in kriminelle Verfahren" involvieren wolle. Er gehe aber davon aus, dass diese "nicht schuldig" seien, und er könne nicht erlauben, dass die Politiker "erpresst" würden.

Ivanov hatte bereits im Jänner bei einer Rede die "Einmischung von ausländischen Botschaften" kritisiert, die zuerst die Krise geschaffen hätten und sich dann als "Lösung" präsentierten, indem sie eine "illegale Staatsanwaltschaft" schafften. Offensichtlich war ihm also schon seit langem die Intervention des Westens ein Dorn im Auge. Er meinte sogar, dass die von EU-Kommissar Johannes Hahn vermittelte Przino-Vereinbarung die Spannungen bloß erhöht habe.

Weitere Schachzüge sind zu erwarten. So kann es durchaus sein, dass die Schaffung der Sonderstaatsanwaltschaft, die von der EU unterstützt wird, verfassungsrechtlich angefochten wird. (Adelheid Wölfl aus Skopje, 2.5.2016)