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Nicht nur bei der EM 2002 in Dänemark (Bild) war Ausra Fridrikas Österreichs beste Werferin. Die gebürtige Litauerin spielte 133-mal im Nationalteam, erzielte 1.059 Treffer. Bei der EM 1996 und der WM 1999 gewann sie jeweils Bronze mit der ÖHB-Auswahl.

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Fridrikas lebt seit vielen Jahren in Wiener Neudorf.

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Maria Enzersdorf – Ein Plauscherl mit der Buffetdame, ein Hallo hier, ein Hallo da. Ausrele "Ausra" Fridrikas kennt man in der Südstadt. Sie war eine Reisende in Sachen Handball, spielte in Dänemark, Norwegen, Spanien, Litauen. Aber ihre Heimat fand sie in der Südstadt, Maria Enzersdorf, Niederösterreich. Neun Jahre spielte sie insgesamt bei Hypo Niederösterreich, gewann in dieser Zeit fünfmal die Champions League bzw. den Europacup der Meister. Sie war der Star in der internationalen Truppe des Handball-Gurus Gunnar Prokop. Die Frau mit dem Torriecher.

Seit 2013 ist Fridrikas Handballtrainerin im Leistungszentrum Südstadt. Zudem betreut sie ein Nachwuchsnationalteam. Österreich ist im Frauen-Handball keine große Nummer mehr. In den 1990ern und Anfang der 2000er war das anders. Ein gehöriger Teil des Erfolgsrezeptes: Einbürgerungspolitik à la Gunnar Prokop.

Ausra Fridrikas, damals Ziukiene, wurde am 8. Juni 1995 Österreicherin. "Ich bereue es bis heute nicht", sagt die 49-Jährige. In Litauen stieß ihre Entscheidung teils auf Unverständnis. Der Nationalstolz war nach der 1990 erlangten Unabhängigkeit ausgeprägt. Fridrikas: "Ich war eine der Ersten, die eine andere Staatsbürgerschaft angenommen haben." In Österreich sah sie bessere Möglichkeiten, sich sportlich weiterzuentwickeln.

Fridrikas mag Österreichs Hymne

Deutsch beherrschte sie da schon. 1992 war sie zu Hypo gewechselt. "Ich habe die Sprache schnell gelernt." Den Text der Bundeshymne hatte sie auch bald drauf. "Ich mag die Hymne. Ich bekomme ein Kribbeln, wenn ich sie höre."

8. August 1995: Die 28-jährige Ausra Ziukiene absolviert ihr erstes Länderspiel für Österreich. 20:19 gegen die Topnation Norwegen in Atlanta. Ziukiene erzielte neun Tore. Insgesamt brachte sie es in 133 Länderspielen auf 1.059 Treffer. Bei der EM 1996 und der WM 1999 holte sie jeweils Bronze mit Österreich. Das große Ziel, eine Olympiamedaille, blieb Fridrikas aber verwehrt.

Nach der verpassten Quali für Atlanta 1996 machten sich Österreichs Handballerinnen 2000 in Sydney große Hoffnungen. Aber die Stimmung sei nicht besonders gut gewesen, weil zahlreiche Teamspielerinnen davor Hypo verlassen hatten. Österreich belegte Rang fünf. "Das war okay." Aber eben keine Medaille. Die verpasste Chance ärgert sie heute noch. "Ich habe probiert, mir Spiele von damals anzuschauen. Mir sind die Tränen gekommen."

"Beste Zeit" bei Hypo

Ansonsten blickt Fridrikas "nur positiv" auf ihre Karriere zurück. Bei Hypo, wo sie von 1992 bis 2000 und zum Ende ihrer Karriere von 2006 bis 2007 spielte, habe sie "die beste Zeit" verbracht. Auch gegen den als impulsiv geltenden Ex-Hypo-Manager Prokop hegt sie keinen Groll. Freilich sei er streng gewesen. Aber: "Alles, was er gemacht hat, war richtig. Er hat versucht, mit verschiedenen Methoden zum Ziel zu kommen." Der Verein, sagt sie, sei etwas Besonderes gewesen. "Man hat sich anerkannt gefühlt."

Mit dem dänischen Klub Slagelse spielte Fridrikas (rechts) in der Champions League gegen Hypo Niederösterreich.
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Auch bei Slagelse fühlte sie sich wohl, zweimal (2004 und 2005) gewann sie mit dem dänischen Klub die Champions League. In ihrer litauischen Heimat war Fridrikas zuletzt im Vorjahr. "Ich habe dort nur noch meine Mama. Wir sind eine kleine Familie." Einmal im Jahr trifft sich die kleine Familie, heuer kommen die Mutter und Ausras um ein Jahr ältere Schwester, die in den USA Ärztin ist, nach Österreich.

Blue Jeans aus Amerika

An ihre Kindheit in Litauen, das damals noch Teil der kommunistischen Sowjetunion war, erinnert sie sich nicht ungern. Es war kein Leben in Reichtum. "Milch gab es nicht immer, Fleisch war eine Seltenheit." Und für ein Kilogramm Orangen habe man sich schon einmal drei Stunden angestellt. "Aber", sagt Fridrikas, "wir hatten es besser als andere." Ihr Großvater war Amerikaner, so kam sie zu westlicher Musik und Levi's Jeans.

Ihr handballerisches Talent war früh erkennbar. Mit 17 debütierte sie im Nationalteam der UdSSR, für das sie 165 Mal spielte. 1990 wurde sie Weltmeisterin. Kein Titel, auf den sie besonders gerne zurückblickt. Nachdem sich Litauen schon von der Sowjetunion losgesagt hatte, wollte Fridrikas nicht mehr für die UdSSR spielen, sie wurde gezwungen.

Als in Vilnius die Panzer rollten

Der politische Umsturz, Litauens Loslösung von der Sowjetunion, verlief nicht unblutig. Moskau wollte die Unabhängigkeit nicht anerkennen. Am 13. Jänner 1991, der als Blutsonntag von Vilnius in die Geschichte einging, starben bei Demonstrationen vor dem Fernsehturm und dem Parlament in Litauens Hauptstadt 14 Menschen. Sie wurden teilweise von sowjetischen Panzern überrollt, teilweise erschossen. Auch Fridrikas war damals vor dem Parlament. "Die Panzer rollten auf uns zu. Sie haben die Waffen auf uns gerichtet." Andere hätten sich geduckt. "Ich war wie erstarrt, konnte nicht agieren."

In Österreich traf Fridrikas auf andere Sportler litauischer Herkunft. Rima Sypkus kam ein Jahr nach ihr in die Südstadt. "Sie ist wie eine Schwester für mich." Den Fußballer Robertas Fridrikas, damals bei der Austria engagiert, heiratete sie. Die beiden haben einen 18-jährigen Sohn. "Er möchte Profifußballer werden", sagt die Mama. Derzeit spielt Lukas Fridrikas beim USK Anif in der Regionalliga. Die Ehe mit Robertas wurde vor drei Jahren geschieden.

Welthandballerin

Ein Partner ist das einzige, was Ausra Fridrikas fehlt. Ansonsten? "Ich bin glücklich. Man muss die Dinge positiv sehen. Ich habe meinen Sohn, den Sport, die Arbeit und Freunde." Und sie hat ihre Erfolge. Für das Jahr 1999 wurde sie sogar zur Welthandballerin gewählt. Fridrikas hat ihre Heimat gefunden.

"Ich bin gerne Österreicherin. Ich mag die Leute und die Kultur." Und sie hat Ziele. "Ich würde gern ein Team, das in der Champions League spielt, trainieren." Dafür würde sie sogar die geliebte Südstadt verlassen. (Birgit Riezinger, 2.5.2016)