Werner Faymann musste Michael Häupl im Fernsehen neben sich setzen, um innerparteilich den tatsächlichen Parteichef, den burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl, zu konterkarieren. Dieser hatte zuvor sein Politikverständnis präsentiert: Wenn vier der aktuell 52 SPÖ-Abgeordneten zum Nationalrat gegen die Novellierung des Asylgesetzes stimmen, "herrscht Unklarheit", und: Wenn so etwas passiert, muss er, Niessl, das als "negativ beurteilen".

Der Chef der burgenländischen SPÖ-FPÖ-Koalition gibt in der Partei immer öfter den Ton an, weil seine Politik mittlerweile auch vom ÖGB offiziell unterstützt wird. Dessen Chef Erich Foglar verlangte am Wochenende eine Revision des Parteibeschlusses, auf Bundesebene keine Koalition mit den Freiheitlichen einzugehen. Das ist kein Alleingang. Die Forderung entspricht der Stimmung an der Gewerkschaftsbasis und der Meinung der Arbeiterkammer-Spitze.

Sie verhindern ja auch seit vielen Monaten gemeinsam mit der FPÖ, dass Asylwerber beschäftigt werden und damit einer sinnvollen Arbeit nachgehen können. An Kriminalität von Asylwerbern haben ÖGB und Arbeiterkammer somit eine Mitverantwortung. Im Arbeitsprozess können junge Männer nicht, wie auch in den Medien kritisiert wird, "herumlungern und auf blöde Gedanken kommen".

In die Politik übersetzt: Teile der SPÖ und die FPÖ segeln nicht nur am Neusiedler See auf Koalitionskurs. Sie erzeugen im ganzen Land eine blaue Stimmung, die beim ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl bereits für eine weitere Steigerung der Zahl der Arbeiterstimmen pro Strache-Partei geführt hat.

Niessl, der aus der roten Lehrergewerkschaft stammt und mit sozialdemokratischen Theorien offenbar nichts am Hut hat, ist in seinem Inneren ein autoritärer Politiker, der die demokratischen Usancen widerwillig akzeptiert. Opposition lehnt er ab, Diskussionen will er nur mit Gleichgesinnten führen, weil ja "Geschlossenheit" herauskommen soll. Frontalunterricht und Köpfenicken also. Alles Schule.

Danach soll sich jetzt die gesamte SPÖ ausrichten, daran soll die Sozialdemokratie aufgerichtet werden.

Häupl rechnet bereits mit Neuwahlen 2017. Wenn aber die Niessl-Rezeptur mithilfe der Gewerkschaft zur Parteidoktrin erhoben werden soll, zum plakatierten Programm, dann droht die Spaltung. Denn die Wiener Partei ist immer noch mehrheitlich antifaschistisch eingestellt.

Kein Wunder, dass der Wiener Bürgermeister offiziell an Faymann festhält. Und mit dem Bundeskanzler die Fehleinschätzung teilen müsste, dass die Millionenwerbungen in der Boulevardpresse nichts gebracht haben. Vor vielen Jahren hat Häupl einmal um zwei Uhr nachts mir gegenüber angemerkt: "Die Qualitätszeitungen sind ja nur für die demokratische Hygiene."

Das Resultat der Stützung der Massenpresse sind die etwas mehr als zehn Prozent für Rudolf Hundstorfer und die Pflege eines politischen Biotops, das Österreich näher an Polen und Ungarn rückt als an Deutschland und Italien. (Gerfried Sperl, 1.5.2016)