16 Jahre ist es her, dass der Wiener Robert La Roche sein Unternehmen verkauft hat. Für die Ausstellung im Mak hat er jetzt noch einmal eine Brille designt.

Foto: Mica Man

La Roches Werbekampagnen waren legendär. Fotografiert wurden sie von Gerhard Heller. Oben ein Motiv von 1987, darunter 1990 und 1995.

Foto: Mica Man
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STANDARD: Es wird immer wieder behauptet, dass Österreich in den 1970er-Jahren eine Brillenweltmacht war. Entspricht das aus Ihrer Sicht der Realität?

Robert La Roche: Absolut. Nehmen Sie nur die Linie Viennaline von Wilhelm Anger. Da gibt es Modelle, die haben sich 100.000-fach verkauft. Die großen Firmen, die wir heute kennen, Rodenstock und Zeiss zum Beispiel, waren immer Gläserfirmen. Man fertigte zwar auch Brillen, aber das Hauptgeschäft war Brillenglas. Es war Wilhelm Anger, der in Österreich Pionierarbeit leistete. Begonnen hat er mit Carrera und Viennaline, Serge Kirchhofer und Saphira kamen später. Zudem fertigte er für unglaublich viele Marken in Lizenz, zum Beispiel für Christian Dior, Paloma Picasso etc.

STANDARD: Bei Wilhelm Anger und seiner Firma Optyl machten Sie Ihre ersten Schritte im Brillengeschäft. Was haben Sie von ihm gelernt?

La Roche: Das Münchhausen-Syndrom: Bei Problemen hat er gegengesteuert, indem er – in den Augen anderer schwer nachvollziehbar – zusätzlich investiert hat. Statt sich zu ärgern, setzte er seine Wut in kreative Energie um.

STANDARD: Sie sind erst mit 35 ins Brillengeschäft eingestiegen, haben davor in der Werbung gearbeitet. Warum Brillen?

La Roche: Mich hat das Ästhetische immer interessiert. Anger hatte für meine kreativen Vorschläge wenig Interesse. Ein Beispiel: Die Optyl-Brille ist ja ein durchsichtiges Stück Brille, das erst nachträglich eine Farbbeschichtung erhält. Mir ist aufgefallen, dass eine mattierte Rohbrille aus Optyl wunderschön wird, wenn man sie sandstrahlt und nicht einfärbt. Angers Kommentar war nur: Überlassen Sie das Design unseren Fachleuten. Als er sich von mir getrennt hat und ich dann anfing, selbst Brillen zu machen, war meine Maxime: Sie sollten sich von Optyl-Brillen deutlich unterscheiden.

STANDARD: Wie sahen denn La-Roche-Brillen aus?

La Roche: Extrem dünn, doppelfarbig. Das war eine neue Welt.

STANDARD: Diese Brillen wurden schnell zu Ihrem Markenzeichen.

La Roche: Wenn ich behaupten würde, dass ich einen genauen Plan hatte, würde das gut klingen, es entspricht aber nicht der Realität. Ich bin von einem Loch ins nächste gefallen. Der Zufall hat Regie geführt.

STANDARD: Wenn Sie heute auf diesen Robert La Roche im Jahr 1973 schauen: Was war das für ein Typ?

La Roche: Ein herrlich naiver Mensch, Autodidakt. Meine Strategie war: Ich mache eine kleine Kollektion, nenne sie Alfa, weil ich damals einen Alfa besaß, wenn sie nicht geht, verkaufe ich die erste Lieferung und basta. Das war mein "Plan". Es hat dann aber doch besser funktioniert als erwartet.

STANDARD: Heute ist der Brillenmarkt in den Händen einiger weniger großer Player. Wie hat der Markt damals funktioniert?

La Roche: Damals gab es auch schon große Player. Aber da war noch Platz. Heute ist der Markt enger geworden und wird von wenigen Großen dominiert. Mittlerweile tut sich in Nischen wieder einiges, das macht Mut. Individuelle Brillen sind wieder stärker gefragt.

STANDARD: Damals mussten Sie sich aber auch erst einen Platz erkämpfen, oder?

La Roche: Meine Stärke war, ein Nischenanbieter zu sein und mich gar nicht mit den "Großen" anzulegen. Als Exote waren meine neuesten Modelle fast in jeder Vogue zu sehen, ich bin regelmäßig nach München zu den Redaktionen gefahren, habe mit Stylisten enge Kontakte gepflegt.

STANDARD: Product-Placements, Celebrity-Ausstattung, Zusammenarbeit mit Redakteuren und Stylisten: So funktioniert die Branche heute. Sie haben das damals auch schon alles gemacht?

La Roche: Ja instinktiv. Wenn man nicht unbeschränkte Budgets hat, muss man ungewöhnliche Wege finden, um wahrgenommen zu werden. Ich habe Zeitungen zum Beispiel Fotos von Filmen geschickt, in denen Meryl Streep meine Brillen getragen hat. Habe lange Artikel für Optikerzeitungen geschrieben. Ich war ein PR-Pionier in eigener Sache, wenn ich das so sagen darf.

STANDARD: 1985 sperrten Sie ein Büro in New York auf. War das der Sprung zur internationalen Karriere?

La Roche: Ich habe jahrelang versucht, in Amerika über Brillenmessen Fuß zu fassen. Das funktionierte gut, war aber mühsam, was die Abwicklung anbelangt. Nachdem die Amerikaner sehr servicebetont sind, kam ich irgendwann nicht umhin, einen Standort in New York zu eröffnen. Ich habe damals nur in Magazinen wie "Detail" und in Andy Warhols "Interview" Werbungen geschaltet. Mein Coup war, dass sich beide Zeitschriften in meine Sujets verliebten. Durch diese Zuneigung kam ich in den Genuss besonderer Konditionen. Ansonsten hätte ich mir die Einschaltungen nicht leisten können.

STANDARD: Sie haben dann auch Andy Warhol kennengelernt.

La Roche: Aufgrund meiner guten Kontakte zu "Interview" wurde ich auch zu den gemeinsamen Mittagessen in die Factory eingeladen. Am Teller von Warhol lagen viele bunte Pillen. Das hat mich dazu inspiriert, ihm eine rote Brille nach Maß zu fertigen. Leider gibt es davon keine Fotos.

STANDARD: Ihre Corporate Identity wurde vom Werber Christian Satek und vom Fotografen Gerhard Heller geprägt. War ein starkes Image damals ähnlich wichtig, wie es heute ist?

La Roche: Ohne Image keine Marke. Zu den vielen Mosaiksteinen, die meine Marke ausmachen, gehört auch mein penibler, konsequenter "Typ". Mich als Steinbock macht es schon nervös, wenn meine Mitarbeiter Briefmarken schief auf ein Kuvert kleben. Briefe sind wie Visitenkarten, die zum großen Ganzen, zur Corporate Identity gehören. Es gab natürlich auch Zeiten, wo nicht alles rundlief. Über die bin ich mit einem guten Image, einer starken Aura "drübergesurft".

STANDARD: Haben Sie Brillen immer als modische Accessoires empfunden, oder war die modische Gestaltung nur das Sahnehäubchen?

La Roche: Eine unmodische Brille würde ich niemandem ins Gesicht setzen. Zeitlose Schönheit war vielleicht meine Stärke. Ich hatte manche Modelle 25 Jahre lang im Sortiment. Da gab es eine klassische Panto mit einem Schlüssellochsteg, die habe ich einmal ein bisschen größer, einmal ein bisschen kleiner gemacht, je nachdem, wie es grad Mode war. Ein Sortiment an klassischen Brillen war der Grundstock. Bei den Sonnenbrillen dagegen kann man sich austoben, da gibt es nicht so viele Einschränkungen.

STANDARD: Ihr Business haben Sie auf der Korrekturbrille aufgebaut. Hätte man mit Sonnenbrillen nicht mehr Geschäft machen können?

La Roche: Es war eine andere Zeit. Optiker waren mehr am "Sehbehelf" interessiert. Außerdem verdienten sie weniger an einer Sonnenbrille. Lange wurden Sonnenbrillen ja hauptsächlich in Parfümerien verkauft.

STANDARD: Sie hätten ja in Parfümerien verkaufen können.

La Roche: Da wäre ich geköpft worden. Das war ein Tabu, Optiker hätten nicht zugelassen, dass Markenbrillen in Parfümerien verkauft worden wären. Heute ist das anders. Ich habe lange überlegt, ob ich in Wien einen Flagship-Store eröffne, um mein ganzes Sortiment zu zeigen. Das wäre nicht gegangen, kein Optiker hätte mehr bei mir gekauft, ich hätte meine wichtigsten Partner verloren.

STANDARD: Wann haben sich diese Strukturen aufgelöst?

La Roche: Bereits in den 1980er-Jahren sind die großen Ketten aufgekommen, und der Markt hat sich verändert. Ich habe zum Beispiel immer Fielmann beliefert, obwohl ich dafür von der Optikerinnung sehr angefeindet wurde. Fielmann ist einfach ein guter Marketingmann.

STANDARD: Sie haben das Design und das Business gleichermaßen betreut. Haben Sie für beides Talent?

La Roche: Das Kaufmännische ist sozusagen mein ungeliebtes Kind. Da hatte ich gute Mitarbeiter. Das Kreative und unkonventionelle Lösungen liegen mir im Blut. Nach 1.200 verschiedenen Entwürfen darf ich das wohl so sagen.

STANDARD: Der Gestaltungsrahmen bei einer Brille ist begrenzt. Stößt man da nicht irgendwann an Grenzen?

La Roche: Ich habe mich dauernd selbst imitiert – aber ohne, dass man es merkt. Ich habe meine "idealen" Brillenformen immer wieder verändert und durch verschiedene Materialkombinationen neu aussehen lassen.

STANDARD: 1999 haben Sie Ihr Unternehmen an die Grazer Pachleitner-Gruppe verkauft. Was hat Sie dazu veranlasst?

La Roche: Man muss wissen, wann ein guter Zeitpunkt für eine Zäsur ist. Ich war und bin mit meinem Lebenswerk absolut im Reinen.

STANDARD: Wenn Sie heute Robert-La-Roche-Brillen anschauen, welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf?

La Roche: Das möchte ich nicht kommentieren. Die Brillen sind sehr gut gemacht. Aber bei meinen Brillen hatte ich noch das Gefühl, dass sie eine Seele haben.

STANDARD: Haben Sie es jemals bereut, ausgestiegen zu sein?

La Roche: Nein. Oder sagen wir so: Ich habe viele Jahre gebraucht, bis ich nicht zwanghaft die Straßenseite wechseln musste, wenn auf der anderen Seite ein Optiker war. Die Lust an der Brille aber ist geblieben. (Stephan Hilpold, RONDO, 6.5.2016)

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