STANDARD: Der Lieblingsplatz des Georg Riha in Österreich?

Georg Riha: Ich werde mich hüten, das auf einen Platz herunterzubrechen. Es ist eher die unberührte Natur, das Archaische der Alpen, zum Beispiel. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn der Mensch klug, bescheiden, demütig oder doch auch kraftvoll in die Natur eingreift. Ein Melk ist ein prächtiger Bau, der ist einfach eine Wucht. Oder die Festung Hohensalzburg oder die Riegersburg. Dieser Basaltfelsen ohne diese Burg ist ein banaler Felsen, erst durch den Bau kriegt er etwas. Das Autobahnkreuz südlich von Wien in der Magic Hour, wenn alle Spuren mit Stau blockiert sind und die roten und weißen Lamperln leuchten – wenn man sich das von oben ansieht, hat das auch einen herrlichen Ameisencharakter.

Blick auf die Schobergruppe in den Hohen Tauern.
Foto: Georg Riha

STANDARD: Von oben schaut sowieso alles gleich viel freundlicher aus. Ist das die Botschaft von vier Stunden "Über Österreich"?

Riha: Wenn ich die Entwicklung der Gesellschaft und die Unmöglichkeit des Zusammenlebenkönnens beobachte, da kann ich doch nur den Kopf schütteln und weinen. All diesem Wahnsinn möchte ich den Traum meiner anderen Wirklichkeit gegenüberstellen, wo der Mensch auch fantastische Leistungen erbracht hat, und den Leuten sagen: Bitte haltet inne, seid demütig, beobachtet die Schöpfung! Da verschieben sich die Proportionen. Wir sind in Europa doch noch vergleichsweise gesegnet.

Die Seeberg-Bundesstraße quert den Völkermarkter Stausee.
Foto: Georg Riha

STANDARD: Das Gelungene braucht das Unschöne, damit man sich selbst besser fühlt? Ist das nicht zynisch?

Riha: Das meine ich nicht. Von oben sehe ich tatsächlich nicht die Frechheit eines Walter Meischberger, die Chuzpe eines Karl-Heinz Grasser, ich sehe jedoch auch die großen Schäden, die der Mensch seinem Lebensraum zugefügt hat. Ich will aber nicht dauernd kritisieren, sondern eine andere Sicht auf Österreich versuchen. Deshalb mache ich solche "netten, bunten Bildchen" – weil ich gar nicht anders kann. Das treibt mich seit einem halben Jahrhundert an.

Die Gärten im Schloss Schönbrunn
Foto: Georg Riha

STANDARD: Mit welchen Techniken haben Sie gearbeitet?

Riha: Ganz normale Helikopter mit glänzenden Berufspiloten, Camcats, Ballone und nur ganz wenige Drohnen.

STANDARD: Warum? Weil sie zum Absturz neigen?

Riha: Weil sie teuer sind und weil die Einschränkungen sehr groß sind, wenn man sich an alle Vorgaben halten will. Man kann mit den Drohnen in der Theorie fast alles machen, in der Praxis ist es schwierig. Es passiert viel in einer grauen und illegalen Zone. Solange ich anonym einen Film auf Youtube stelle, kann ich machen, was ich will. Aber sobald ich in einem Werk zeige, was ich getan habe, könnte sich Austrocontrol nach meiner Drehgenehmigung erkundigen wollen. Wenn ich auf dem Stephansplatz drehen will, muss ich den Platz absperren, dazu brauche ich fünfzig Leute. Wenn ich die Regeln befolge, wird es extrem aufwendig.

Der Trailer zu "Über Österreich".
RIHA Film

STANDARD: Die Nachfrage nach Inhalten ist in Zeiten der multiplen Abspielmöglichkeiten hoch wie nie. Spüren Sie rosige Zeiten im Produktionsschaffen?

Riha: Per saldo ja. Auf der anderen Seite bleibt der Werbekuchen aber der gleiche, weil der Sendebetrieb auch viel fragmentierter geworden ist und jeder seine Sendefläche füllen will und großteils überhaupt kein Geld für Qualität überhat. Wenn ich mich zurückerinnere, was man vor 20 Jahren an Gagen bekam, und daran denke, was heute angeboten wird, das ist oft obszön. Das ist meine Kritik an der gesamten Gesellschaft: Eine kleine Gruppe macht ihr Ding, und die anderen werden immer mehr unter Druck gesetzt. Ganz wenige können sich da behaupten.

STANDARD: Wie halten Sie sich über Wasser?

Riha: Wir haben im Archiv das x-Fache dieser Miniaturen, mit denen wir die Sequenzen wie Mosaiken oder Perlen neu zusammensetzen können.

Neusiedler See
Foto: Georg Riha

STANDARD: Da geht es um die kommerzielle Verwertung?

Riha: Ich muss auch die Gagen für meine Mitarbeiter herbeibringen. Wir arbeiten an einer interaktiven Landkarte, von der man zum Beispiel im Wartesaal eines Flughafens, im Foyer des Fünfsternehotels, in einer Arztpraxis, bei einer Ferienmesse, in Schulen, in Botschaften diese Miniaturen auf einem Riesen-4K-Flatscreen abrufen kann. Wie bei einer alten Jukebox kann man sich sein eigenes Programm zusammenstellen.

STANDARD: Geniale Idee – wie wollen Sie sicher sein, dass Ihnen die nicht wieder geklaut wird, so wie Ihre Camcat?

Riha: Seit Herr Benz das Auto erfunden hat, gibt es auch viele Autohersteller. Herr Wright hat ein Flugzeug gebaut, und inzwischen gibt es viele andere. Was soll ich tun?

Der Alpenhauptkamm aus der Vogelperspektive.
Foto: Georg Riha

STANDARD: Die Konkurrenz wächst – wie geht man in der Branche miteinander um?

Riha: Im Prinzip bin ich naiv und ein Träumer, aber auch ein guter Handwerker. Das heißt, ich habe eine gewisse professionelle Haltung und Position, daher haben die Menschen auch ein Vertrauen, wenn ich etwas anbiete.

STANDARD: Eben wurden Sie bei den New York Festivals für Ihren Pausenfilm beim Neujahrskonzert ausgezeichnet. Was bedeuten Ihnen Preise?

Riha: Ja, es freut einen kurz, aber es ist ungefähr der fünfzigste. Die Romy und Emmy Awards waren schön. Karrierefördernd? Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich bin in Österreich anerkannt als Narr und einer, der visuell einen eigenen Weg geht. (Doris Priesching, RONDO, 8.5.2016)