STANDARD: Ist der Spirit schon eingezogen? Sie haben den vermisst, als Sie hier in die Öbib in Wien-Brigittenau übersiedelt sind.

Oberndorfer: Wir werden unseren Standort vor Juli verlegen. In die Himmelpfortgasse.

STANDARD: Zum Weisungsgeber, ins Finanzministerium?

Oberndorfer: In dieselbe Gasse. In die Nähe des Eissalons, das gefällt mir besonders gut. (lacht)

STANDARD: Bringt man den Spirit nicht selbst mit?

Oberndorfer: Schon, aber die Gestaltung eines Büros färbt auch die Arbeitsatmosphäre ein. Mir sind markante Farben wichtig, das Bild hinter mir von Karl Schnetzinger hab ich schon zehn Jahre. Ich bin auch ein Fan von farbigen Wänden, hier ist es mir zu nüchtern.

Sie gilt als resch, "Emanzengehabe" lehnt sie ab, die Staatsfinanzen möchte sie in einem Vierteljahrhundert im Plus sehen: Martha Oberndorfer.
Foto: STANARD/Hendrich

STANDARD: Welche war bisher Ihre Wandfarbe?

Oberndorfer: Apricot. Wie Marillen, das passt zu mir ...

STANDARD: Weil Sie aus der Wachau kommen? Ich finde übrigens, Apricot passt nicht zu Ihnen.

Oberdorfer: Doch, ich bin wie eine Marille: innen ein harter Kern, außen weich. (lacht) Und weil Sie die Wachau erwähnt haben: Es ist wirklich sehr schön, wenn man mit einem Fluss lebt.

STANDARD: Aber in einem der berühmten Wachauer Ruderklubs waren Sie nie?

Oberndorfer: Nein, aber ich bin in meiner Jugend öfters über die Donau geschwommen. Per Autostopp hinauf, dann hinunter mit der Strömung, da muss man schon ordentlich aufpassen wegen des atemberaubendes Sogs an den Brückenpfeilern und wegen der Schiffe. Ich war auch viel Wasserskifahren, damals.

STANDARD: Sie sind ja auch Mitglied im Skiklub Krems-Stein ...

Oberndorfer: Ja, förderndes Mitglied inzwischen. Aber in meiner Jugend war ich gut, zweite in den Stadtskimeisterschaften in meiner Leistungs- und Altersgruppe.

STANDARD: Sie waren sicher schon immer ehrgeizig?

Oberndorfer: Ich hatte immer eine gesunde Portion Resultatsorientierung. Wenn ich mir etwas einbilde, dann bleibe ich dran.

STANDARD: Ich will mit Ihnen über Macht, Ohnmacht und Managen reden. Wann waren Sie denn das letzte Mal ohnmächtig?

Oberndorfer: Keine Ahnung, ob ich's je war. Ich bin nicht der Typ, der rasch in Ohnmacht fällt.

Aus dieser Gegend kommt Oberndorfer, und so sieht es dort bei der Marillenblüte aus: Krems-Stein an der Donau.
Foto: APA/Renate Mayr

STANDARD: Sie sind dem Finanzminister weisungsgebunden, nicht im Aufsichtsrat der Öbib-Beteiligungen wie OMV, Telekom oder Post und haben bei der Besetzung der Aufsichtsräte kein Mitspracherecht. Ist das nicht Ohnmacht?

Oberndorfer: Nein, so sind die Regeln. Über Macht habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, das ist nicht notwendig. Wichtig ist, dass man gestalten kann, und das kann ich. In der Öbib geht es darum, die Bundesbeteiligungen perfekt zu managen, weil es geht ums Geld der Steuerzahler.

STANDARD: Sie haben schon in der Bundesfinanzierungsagentur Öbfa, in der Sie die Staatsschulden gemanagt haben, immer betont, nur umzusetzen, was das Parlament beschließt. Sie dienen nur?

Oberndorfer: Insofern, als es darum geht, für die Republik auf dem Markt gute Figur zu machen. Früher musste ich das für die Republik in ihrer Rolle als Anleihe-Emittentin tun, jetzt für sie als Kernaktionärin der Öbib-Beteiligungen. Die Regeln stehen im Gesetz. Die Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung ist also keine Entscheidung Martha Oberndorfers, sondern der Öbib-Organe.

STANDARD: Das reicht Ihnen?

Oberndorfer: Wir sitzen ja nicht herum und warten auf Dividenden. Es gibt viel zu tun: Ich arbeite eng mit den Aufsichtsräten zusammen, bin in einer Servicefunktion. Wir machen Aktien- und Branchenanalysen, führen Expertengespräche, denken ein Vierteljahrhundert voraus.

STANDARD: Würden Sie sagen, Sie machen das Staatswesen besser?

Oberndorfer: Ja, ich mache den Staat besser. Weil ich viel dazu beitrage, den mir überantworteten Bereich gut zu managen.

STANDARD: Operativ dürfen Sie nicht eingreifen. Ich höre aber, es gebe Streit mit der Casinos AG, weil die Öbib Einsicht in Aufsichtsratsunterlagen will. In der Casinos AG sieht man das als Einmischung.

Oberndorfer: Von einem Streit oder Problem mit den Casinos ist mir nichts bekannt. Die Republik hält ein Drittel der Casinos-Anteile, laut Gesetz hat die Öbib eine Assistenzrolle für die von ihr entsandten Aufsichtsräte. Da benötigen wir natürlich die Unterlagen. Das funktioniert, und zwar gemäß Gesetz und Governance.

STANDARD: Wegbegleiter sagen, Sie arbeiten vor allem dann gut, wenn sie genaue Vorgaben haben.

Oberndorfer: Ich komme aus dem Wertpapierhandel, bin Pouvoir-Grenzen gewöhnt. Jeder unterliegt Regeln, auch der Vorstand einer börsennotierten AG. Und jeder hat Gestaltungsmöglichkeiten. Ich nütze meine, bin durchsetzungsstark. Bei Frauen wird das immer unsympathischer gesehen als bei Männern. Damit kann ich leben.

STANDARD: Es heißt, jeder Zweite neben Ihnen habe es schwer. Im Öbfa-Vorstand sei es zu Schreiduellen gekommen ...

Oberndorfer: An Schreiduelle kann ich mich nicht erinnern. Aber in einem Vorstand, in dem es auch zur gegenseitigen Kontrolle unterschiedliche Aufgabengebiete gibt, sind Meinungsverschiedenheiten gut und wichtig. Meine Auseinandersetzungen waren jedenfalls stets fachlicher Natur. Bei Integrität, Compliance und Umgang mit vertraulichen Informationen schließe ich keine Kompromisse. Und als Chefin fordere ich viel, da bin ich wahrscheinlich anstrengend. Viele Männer in hohen Positionen sind den Umgang mit Frauen in ebensolchen Positionen nicht gewöhnt. Das versteh ich auch: Kommt man aus einem Umfeld, in dem einem die Frau daheim Haushalt und Privatleben managt, hat man eine andere Einstellung, als wenn man mit einer berufstätigen Frau lebt. Das ist eine Generationenfrage, wird besser.

OMV-Chef Rainer Seele (rechts) und Gazprom-Chef Alexej Miller unterschreiben die Vereinbarung zum Asset-Tausch Anfang April in St. Petersburg.
Foto: APA/OMV

STANDARD: Als auf der Shortlist für den OMV-Finanzchef nur Männer standen, erkundigten Sie sich, ob es wirklich keine passende Frau gibt. Sie sagten damals, das sei "kein Emanzengehabe". Was ist Emanzengehabe?

Oberndorfer: Emanzengehabe ist, wenn man Frauenrechte nur des Themas wegen in den Vordergrund stellt. Ich bin nicht gegen Frauenrechte, aber in der Wirtschaft muss man auf Qualität, Kompetenz und Diversität schauen. Ich muss mich darum kümmern, dass sich die Unternehmen gut entwickeln. Und weltweite Studien zeigen, dass Unternehmen besser sind, wenn Frauen in ihrem Vorstand sitzen. In der OMV war übrigens die erste Aufsichtsrätin eine von der Ipic entsandte Araberin.

STANDARD: In den Vorständen der Öbib-Töchter gibt es nur eine Frau.

Oberndorfer: Ja, da ist ein Weg zu gehen. Auch in den Aufsichtsräten gibt es Aufholbedarf.

STANDARD: In der Öbib haben Sie aufgeräumt, von 16 blieben elf aktive Mitarbeiter übrig ...

Oberndorfer: Ich sehe mich nicht als Aufräumerin, diese Beschreibung tut mir weh. Ich sage: Get the job done, und natürlich fliegen beim Managen manchmal Späne. Man kann doch nicht ein 16-Personen-Unternehmen mit sechs Bereichsleitern führen, da war ein Umdenken nötig. Das tragen alle Leute mit Hausverstand mit.

STANDARD: Einer Ihrer Vorgänger in der ÖIAG ließ seine Socken auf Staatskosten waschen, das jährliche Durchschnittseinkommen betrug rund 115.000 Euro. Hat man sich’s in der ÖIAG auf Steuerzahlerkosten bequem gemacht?

Oberndorfer: Ich schaue lieber in die Zukunft.

STANDARD: Aber eine Meinung werden Sie doch dazu haben.

Oberndorfer: Ich sage allen hier, dass man bei der Nutzung von Öbib-Ressourcen Berufliches von Privatem trennen muss. Dass man einen privaten Hausbau vom Büro aus organisieren lässt, ist nicht normal und geht bei mir sicher nicht. Aber die Vergangenheit ist vorbei. Und Schnitt.

STANDARD: Sie ziehen Ihrem Vorgänger die Kosten für die Überziehung des Kilometerlimits beim Dienstauto von der Abfertigung ab?

Oberndorfer: Sie werden verstehen, dass ich über Aspekte der Personalverrechnung nichts sage.

STANDARD: Wie gefällt Ihnen denn Mexico City? Sie waren gerade beim Telekom-Aufsichtsrat dort.

Oberndorfer: Ich kenne die Stadt schon länger, und sie gefällt mir.

STANDARD: In Mexiko wären Sie auch hobbymäßig gut aufgehoben. Sie basteln Pappmaché-Figuren, die dort als Piñatas beliebt sind.

Oberndorfer: Ich bastle diese Figuren wahnsinnig gern. Etwas zu machen, bei dem man ein greifbares Resultat sieht: Das brauch ich. (lacht) Ich stricke auch sehr gern Socken. Traut mir auch keiner zu.

STANDARD: Sie spielen auch Golf, im Club Fontana, der Ex-ÖIAG-Präsident Siegfried Wolf gehört?

Oberndorfer: Ich spiele sehr selten. Viel lieber geh ich Schwammerln suchen, obwohl ich im Vergleich zu meinem Mann ein Underperformer bin. Vor allem verkoche ich die Schwammerln gern.

Beim Schwammerlsuchen hält sich Oberndorfer für einen Underperformer.
Foto: APA/Fohringer

STANDARD: Gekocht hat doch immer Ihr Mann? Habe ich in Interviews gelesen, in denen Sie sagen, Familie und Job seien selbstverständlich vereinbar.

Oberndorfer: Er kocht auch heute noch, mit einer Begeisterung, in der ich ihn keinesfalls einbremsen möchte. Da fühle ich mich in einer Assistenzrolle sehr wohl. (lacht)

STANDARD: Sie haben über Ethik im Management dissertiert. Beschäftigt Sie das Thema noch?

Oberndorfer: Sicher, persönliche Integrität ist das größte Asset eines Managers. Besonders wenn man fremdes Vermögen verwaltet, muss man genau wissen, was geht und was nicht. Als Manager muss man Vorbild sein, darf sich nicht nur mit Ja-Sagern umgeben.

STANDARD: Wann wurden Sie das letzte Mal intern kritisiert?

Oberndorfer: Gestern. Es ging um Details eines Vertrags.

STANDARD: Apropos: Die OMV hat sich eng mit der russischen Gazprom verbunden. Wladimir Putin: Ist er in Ihren Augen ein lupenreiner Demokrat?

Oberndorfer: Ich bin nicht die Person, die politische Urteile abgibt, sorry. Österreich hat seit 1968 Lieferverträge mit Russland, da gibt es also eine lang funktionierende Partnerschaft, über alle politischen Unwegsamkeiten hinweg.

STANDARD: Mir ist aufgefallen, dass Sie die Frage, ob diese Kooperation ein politisches Risiko birgt, bisher nie beantwortet haben.

Oberndorfer: Jedes Land hat ein politisches Risiko, die Frage ist, wie hoch es ist. In den Regionen, in den Gas und Öl vorkommen, ist durchwegs etwas los politisch. Oder aber die Förderung ist sehr teuer, wie in Nordeuropa.

STANDARD: Sie erzählen, dass Sie schon als Siebenjährige im Zimmereibetrieb Ihres Vaters die Lohnsackerl vorbereitet hätten. Geld habe Sie schon als Kind interessiert. Was ist das Interessante an Geld?

Oberndorfer: Ohne Geld würde die Wirtschaft nicht funktionieren. Geld bedeutet finanzielle Unabhängigkeit, Flexibilität für Menschen und Unternehmen. "Meine Damen und Herren, es ist nicht unanständig, Gewinne machen zu wollen", sagte schon mein Marketing-Professor an der Uni Linz, Ernest Kulhavy, immer.

STANDARD: Bei ihm war Finanzminister Schelling Assistent ...

Oberndorfer: Genau, ich hatte ihn als Lektor. Ich habe jedenfalls immer genug Geld verdient, und wir leben so, dass auch ein Einkommen reichen würde.

STANDARD: Was ist denn Ihr Luxus?

Oberndorfer: Ich reise gern und investiere viel in meine Töchter. Japan begeistert mich besonders: Gesellschaft, Landschaft, Essen, bis hin zum Kult um die Sumoringer. Ich war einmal bei einem Kampf in Tokio, da haben die jungen Mädchen diese fetten Ringer so kreischend empfangen, dass sie fast in Ohnmacht gefallen sind.

Bild nicht mehr verfügbar.

Sumo-Ringer gibt es auch am Wiener Heumarkt manchmal zu sehen und manche kommen aus den USA. So wie Emmanuel Malbrough aus den USA (links).
Foto: reuters/alex halada

STANDARD: Ein Glück, dass Sie kein Ohnmachtstyp sind.

Oberndorfer: Aber der Begeisterung konnte ich mich nicht entziehen.

STANDARD: Sie sagten anfangs, Sie denken ein Vierteljahrhundert voraus. Wie werden die Öbib-Beteiligungen dann aussehen?

Oberndorfer: Gut. Ich wünsche mir, dass die Staatsfinanzen dann im Plus sind, sodass der Staat keine Schulden machen muss, um in die Unternehmen zu investieren.

STANDARD: Sie reden von der Unendlichkeit?

Oberndorfer: Nein, es müssen nur die Rahmenbedingungen stimmen. Die Verwaltung müsste reformiert, die Bund-Länder-Problematik gelöst werden. Wir müssen für die Jugend etwas tun, statt den Besitzstand zu wahren. Ich bin überrascht, wie lang es dauert, Reformen umzusetzen, die auf der Hand liegen.

STANDARD: Apropos Unendlichkeit. Ihr Mann ist Chef der Caritas Socialis, die sich um alte und schwerkranke Menschen kümmert. Ist Ihnen die Endlichkeit ein wichtigeres Thema als anderen Managern?

Oberndorfer: Sicher ist das Bewusstsein der Endlichkeit Teil meiner Bodenhaftung. Auch der frühe Unfalltod meines Bruders hat mich gelehrt, dass man im Hier und Jetzt leben muss.

STANDARD: Passt zur letzten Frage. Worum geht's im Leben?

Oberndorfer: Um Vertrauen, Glück, Freundschaft und Familie. (Renate Graber, 4.5.2016)