Es war ein Satz wie ein Fallbeil: "Wir werden sehen", antwortete Michael Häupl vor acht Jahren jenen Journalisten, die nach dem Verbleib des damals amtierenden SPÖ-Chefs fragten. Wenige Stunden später war das Ende von Alfred Gusenbauer an der Parteispitze offiziell besiegelt.

Geht es nach der historischen Erfahrung, dann kann Werner Faymann bereits sein Büro räumen. Denn wieder sprach Wiens mächtiger Bürgermeister und SP-Chef – nach achtstündiger Unterredung mit seinen Getreuen – die unterschwellig bedrohlichen Worte: "Ob Faymann die Unterstützung der Partei hat, werden wir sehen."

Noch andere Parallelen sprechen dafür, dass Faymanns Zeit trotz der ihm eigenen politischen Überlebenskunst abgelaufen ist. Wie weiland Gusenbauer hat er quer durch die Partei, von links nach rechts, Vertrauen verspielt, auch wenn ihm noch ein paar Wiener Sektionen die Stange – sprich Huldigungstaferln am 1. Mai – halten. Ob man nun in die Gewerkschaft hineinhört oder in die Landesparteien: Viele Funktionäre wollen am Bundesobmann nicht einmal mehr anstreifen.

Für den finalen Zug wäre nun Häupl zuständig: Als letzte echte Autorität in der SPÖ mit einer noch nicht auf das Existenzminimum geschrumpften Parteiorganisation im Rücken hält er es in der Hand, Faymann den Laufpass oder eben doch eine letzte Chance zu geben. Was der 66-Jährige allerdings geschickt hinter dem Nimbus des starken Mannes, der die Partei immer wieder in die Spur zurückbringt, versteckt: Für so manche Sünde, die zornige Genossen nun Faymann anlasten, trägt Häupl selbst Mitverantwortung.

Das gilt etwa für die zentrale Streitfrage in der SPÖ. Es zeugt von selektiver Wahrnehmung der (linken) Kritiker in der SPÖ, dass sie ausschließlich Faymann als Wendehals geißeln, der den Kurs in der Flüchtlingspolitik um 180 Grad gedreht hat. Die Initiative ging von der Bundesregierung aus, doch letztlich hat Häupl den Schwenk mitgemacht. Die "Richtwerte" – vulgo Obergrenze – für die Aufnahme von Asylwerbern, die zwingend zu Restriktionen führen mussten, nickte er ebenso ab wie das berüchtigte Notstandsgesetz. Darüber können unverbindliche Parteitagsresolutionen der Wiener Sozialdemokraten für das Gute und Schöne nicht hinwegtäuschen.

Auch das Debakel bei der Präsidentschaftswahl geht nicht nur auf Faymanns Konto. Wenn Rudolf Hundstorfer, was sich ohne große prophetische Begabung erkennen ließ, von Anfang an der falsche Kandidat war: Warum hat dann das SPÖ-Präsidium, und damit auch Häupl, die Nominierung einhellig mit Applaus abgesegnet?

Es spricht für Häupls Charisma und Geschick, dass er parteiintern dennoch als nahezu unantastbar gilt. Immer wieder schafft er es, Konflikte in den eigenen Reihen auszugleichen und trotz aller Widersprüche authentisch zu wirken. Was Häupl sagt, nehmen ihm die Genossen ab. Von dieser Gabe kann Faymann nur träumen.

Dass Häupl sein Ausnahmetalent eine Karriere lang nur im Biotop des Rathauses ausgespielt hat, ist aus sozialdemokratischer Sicht sein größtes Versäumnis. In der SPÖ begnügte er sich stets mit dem Schalten und Walten hinter den Kulissen, griff von Fall zu Fall ein, ließ die Dinge aber auch schleifen. Die Bundeschefs bekamen zu spüren, wer die letzte Instanz ist, doch vor der Verantwortung in der ersten Reihe schreckte Häupl zurück. Die Rolle des Königsmachers war zweifellos bequem – konsequent war sie nicht. (Gerald John, 3.5.2016)