Vor allem in der Pflege sieht die Volksanwaltschaft Handlungsbedarf.

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Wien – 17.231 Beschwerden von Bürgern, die sich von Einrichtungen oder Organen der öffentlichen Verwaltung benachteiligt fühlten, haben im Vorjahr die Volksanwaltschaft erreicht. Laut dem am Mittwoch präsentierten Jahresbericht der Ombudsstelle entspricht das einem Rückgang um rund 12,3 Prozent gegenüber dem Rekordjahr 2014. Die Volksanwaltschaft zeigte sich in 13.319 Fällen zuständig, in 8.181 Fällen wurden auch Prüfungsverfahren eingeleitet. Davon betrafen 5.315 Beschwerden die Bundes- und 2.866 Beschwerden die Landesverwaltung.

7.850 der 2015 eingeleiteten Prüfverfahren konnten noch im selben Jahr abgeschlossen werden, dazu kamen 2.308 erledigte Verfahren, die aus den Vorjahren liegengeblieben waren. Im Schnitt wurden Betroffene nach 47 Tagen über das Ergebnis der Überprüfung informiert. Von den 7.850 aktuellen Prüfungen erkannten die Volksanwälte in 1.122 Fällen Missstände in der Verwaltung.

Meiste Beschwerden in Wien

Auf Bundesebene betrafen die häufigsten Prüfungen das Innenministerium (1.496 Prüfungen oder 28,2 Prozent) und das Sozialministerium (1.488 Prüfungen oder 28 Prozent), mit Abstand an dritter Stelle landete das Justizministerium (760 Prüfungen oder 14,3 Prozent). Die führende Rolle des Innenministeriums ist laut Jahresbericht "auf die hohe Anzahl asylrechtlicher Beschwerden zurückzuführen". Beschwerden gegen das Sozialministerium betrafen vor allem sozialversicherungsrechtliche oder arbeitsmarktbezogene Probleme.

Auf Länderebene – die Volksanwaltschaft ist für alle Bundesländer außer Tirol und Vorarlberg zuständig – entfielen die Eingaben mit 1.168 Fällen zum Großteil auf Wien (1.186 Prüfungen oder 40,8 Prozent), dahinter folgen Niederösterreich (562 Prüfungen oder 19,6 Prozent) und die Steiermark (349 Prüfungen oder 12,2 Prozent). 24,6 Prozent der Beschwerden in der Verwaltung der Länder betrafen den Themenkomplex Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt, Menschen mit Behinderung und Grundversorgung, gefolgt von Problemen im Bereich Raumordnung, Wohn- und Siedlungswesen sowie Baurecht mit 22,9 Prozent.

Jede zweite beobachtete Abschiebung beantstandet

Seit 2012 nimmt die Volksanwaltschaft auch ein "verfassungsgesetzliches Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte" wahr. Dieses Aufgabengebiet deckt sie mit sechs untergeordneten Kommissionen ab, die im Vorjahr 501 Einsätze zur präventiven Menschenrechtskontrolle leisteten. 439 der Besuche waren unangekündigt, sie dauerten im Schnitt rund sechseinhalb Stunden. Geprüft werden in diesem Bereich "öffentliche und private Einrichtungen, in denen es zu Freiheitsbeschränkungen kommt oder kommen kann, etwa Justizanstalten, Alten- und Pflegeheime, psychiatrische Anstalten und Polizeianhaltezentren". Im Jahr 2014 waren es noch 428 Kontrollen.

Im Vorjahr beanstandete die Volksanwaltschaft in 312 Fällen die menschenrechtliche Situation der kontrollierten Stellen oder Vorgänge. Von elf beobachteten Abschiebungen wurden fünf beanstandet, von 45 beobachteten Polizeieinsätzen wurden 13 beanstandet.

Kritik an Pflegeheimen

Hauptaugenmerk legten die Kommissionen allerdings auf Alten- und Pflegeheime mit 105 Besuchen. Volksanwalt Günter Kräuter (SPÖ) sprach von "großen Sorgen" in diesem Bereich, die ihm die Missstände bereiten. Die Kritik richte sich aber gegen Strukturen in einzelnen Einrichtungen und nicht gegen das Pflegepersonal, "das bis auf wenige Ausnahmen großartige Arbeit leistet". Kräuter nannte als Beispiel explizit das Konradinum, ein Heim für schwerbehinderte Personen in Salzburg, wo Betten oft dauerhaft am Gang stehen, es häufig keinen Sichtschutz in Sanitärräumen gibt und teils inakzeptable hygienische Zustände herrschen. (DER STANDARD berichtete.)

Volksanwältin Gertrude Brinek (ÖVP) kritisierte die Praxis im Bereich der Sachwalterschaft. Insgesamt habe sich die Zahl der Betroffenen in den letzten Jahren verdoppelt, und vor allem in Pflegeheimen werde es immer häufiger zum Usus, Patienten besachwaltern zu lassen, ohne dass in vielen Fällen Notwendigkeit herrsche. Auskunftsrechte von Angehörigen würden dadurch beschnitten, Menschen würden häufig mit Medikamenten sediert, finanziell ausgehungert und ihrer Freiheit beraubt, so Brinek. Früher war die Welt vermeintlich noch in Ordnung, wenn die Hygiene in einem Heim ausreichend war, sagte Kräuter, heute aber gehe es aber auch um die Menschenwürde. "Wir bleiben dran und haben langen Atem", sagte Kräuter. (Michael Matzenberger, 4.5.2016)