Die Mitte der Gesellschaft sieht laut FP-Parteichef Strache so aus.

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Die FPÖ sei "die neue Mitte der Gesellschaft". Das sagte deren Parteichef Heinz-Christian Strache jüngst bei der Maikundgebung der FPÖ im Festzelt auf dem Urfahraner Jahrmarkt in Linz.

Die "Mitte", das hört sich mehrheitsfähig an. Und es hört sich an, als stehe die FPÖ auch mit ihren Inhalten und Positionen dort, wo in Österreich die Mehrheit steht. So als seien Weltsicht und die Pläne der FPÖ für die im Land herrschenden Einstellungen repräsentativ.

Mehrheitswünsche?

Aber stimmt das? Entsprechen die Vorstellungen Straches, Hofers und Co. über die wünschenswerten Entwicklungen in Österreich tatsächlich den Vorstellung einer Mehrheit im Land? Eine Lektüre der FPÖ-Programme (das Parteiprogramm sowie das 288 Seiten umfassende "Handbuch freiheitlicher Politik") lässt daran Zweifel aufkommen.

Vielmehr gibt diese Lektüre der These neue Nahrung, dass wohl viele Blau-Wähler – und Wähler von Präsidentschaftskandidaten Hofer, der sich klar zu seiner FPÖ-Haltung bekennt – nicht genau wissen, welche Katze im Sack sie damit kaufen. Oder es gar nicht so genau wissen wollen.

Erwartbarer Schaden

Die aufstrebende "Protestpartei" nämlich, die sich den Abstieg von Rotschwarz und die flüchtlingspolitische Krise so umfassend zunutze zu machen weiß, vertritt deutschtümelnde, völkische Inhalte. Ihre politischen Forderungen folgen einem striktem Ausländer-zurück- ins-Herkunftsland-Kurs. In FPÖ-Diktion: "Minusmigration".

Zuletzt gab die Bundesregierung den laut FPÖ-Handbuch dezidierten blauen Forderungen nach Asyl auf Zeit und massiver Einschränkung der Familienzusammenführung für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte vorauseilend statt.

Deutsche Mythen

Mit politischer "Mitte" hat das vielfach nichts zu tun – so zum Beispiel beim Thema Bildung. Oder ist in Österreich die Forderung repräsentativ, dass in den Schulen das Auswendiglernen und Rezitieren deutscher Gedichte forciert werden soll? Ist der Wunsch spürbar, in Kindergärten und Schulen schwerpunktmäßig deutsche "Märchen, Mythen und Volkslieder" zu vermitteln, weil das der "Bewahrung unserer Identität" diene?

Und wie sehr "aus der Mitte" der Gesellschaft kommt die Forderung, gegen die "Beugung unserer Sprache durch den völlig überzogenen Einsatz fremdsprachiger Ausdrücke" vorzugehen? Tatsächlich will die FPÖ in Sendungen und Berichten "österreichischer Medien, allen voran dem ORF als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt" anglophile Ausdrücke und Wortkreationen wie "Prime Time" und "ZiB Flash" abschaffen.

Rückwärtsgewandt

Nun mag einzuwenden sein, dass das Deutschtum im FPÖ-Programm nichts als ein rückwärtsgewandter Restbestand ohne wirkliche Relevanz sei. Hier jedoch lassen Blauen-Forderungen Zweifel aufkommen, die – mit dem Argument, das Deutsche im Land zu fördern – die Würde und die Menschenrechte Anderssprachiger direkt angreifen.

Da gibt es Vorschläge für kleinliche Sekkaturen. Etwa, dass Drittstaatangehörige künftig die Kosten für Dolmetscher vor Behörden und Gerichten selber tragen sollen. Begründung: Laut Bundesverfassungsgesetz sei "die Staatssprache in Österreich Deutsch"..

Und es wird zur Segregation von Kindesbeinen an geblasen: Alle ausländischen Fünfjährigen, die einen im Kindergarten durchzuführenden "Deutschtest" nicht schaffen, sollen in "gesonderten" Ausländerkindergärten zwangsweise einem "Intensivkurs" unterzogen werden.

Ausländervertreibungspolitik

Mit der grundvernünftigen Forderung an Flüchtlinge und Migranten, die Landessprache zu erlernen, um an der Gesellschaft teilhaben zu können, hat derlei nichts zu tun. Vielmehr wird das Deutsche von der FPÖ für rückwärtsgewandte Identitätspolitik und offensive Ausländervertreibungspolitik instrumentalisiert. Die "Mitte der Gesellschaft" in Österreich will so etwas nicht. Noch nicht. (Irene Brickner, 5.5.2016)