Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Der bald scheidende Bundespräsident Heinz Fischer habe nie vergessen, "woher er kommt", daher gebe er ein Abschiedsessen für alle SPÖ-Ländergranden plus Bundeskanzler in der Hofburg. Heißt es aus der SPÖ. Eigenartiger Zufall aber auch: Ausgerechnet am Montag, drei Stunden vor Beginn der vorgezogenen Sitzung des SPÖ-Bundesparteivorstands, bei der es für Werner Faymann um alles geht, sollen die Ländergranden, die seine politische Zukunft in Händen halten, in der Hofburg aufmarschieren. Was wird da wohl geredet werden? Sicher geht es nicht ausschließlich um salbungsvolle Komplimente für Fischers Amtszeit.

Wer Fischer kennt, schließt eher kategorisch aus, dass er für eine Seite Partei ergreift, er wird dort und danach auch bestimmt Worte finden, mit denen alle leben können und die keinem wehtun. Dennoch: Mit dieser Aktion erweist der Bundespräsident seinem Amt und sich selbst keinen Gefallen. Es geht weit über seine Aufgaben hinaus, sich in die Angelegenheiten einer zutiefst zerstrittenen Partei einzumengen – und sei es nur, um zu schlichten. Es ist auch nicht überliefert, dass Fischer bei den diversen ÖVP-Obmann-Querelen die gesamte ÖVP-Riege zum Rapport bestellt hätte.

Der Bundespräsident hat Äquidistanz zu allen zu halten. Wenn er sich Sorgen um das Land macht, ist wohl die gesamte Regierung, zumindest aber auch der Vizekanzler, der geeignete Ansprechpartner. Wenige Wochen vor der Stichwahl, in der über Fischers Amtsnachfolger entschieden wird, ist die Optik besonders schief. Viele Sozialdemokraten warnen dieser Tage vehement davor, FPÖ-Kandidat Norbert Hofer zu wählen – unter anderem mit dem Argument, von diesem sei zu erwarten, dass er das Präsidentenamt im Sinne von Heinz-Christian Strache und der Interessen der FPÖ missbrauchen werde. Sollen solche Einwände glaubwürdig sein, darf man nicht mit zweierlei Maß messen, wenn es um die eigene Partei geht.

Verfolgt man die SPÖ-internen Querelen, erscheint das Gerücht durchaus plausibel, dass es Faymann höchstpersönlich war, der Fischer um den Termin Montagmittag gebeten hat. Der Kanzler und SPÖ-Chef kämpft mit allen Mitteln um seinen Verbleib – das ist legitim. Aber bei allem Verständnis für Fischers Liebe zu Frieden und Konsens: Der Bundespräsident hätte in dieser Frage zum SPÖ-Chef Nein sagen müssen. (Petra Stuiber, 5.5.2016)