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Technologischer Fortschritt wird in Zukunft nicht mehr allen zugute kommen, sagt US-Autor Martin Ford, und er werde vor allem die Mittelschicht besonders hart treffen: "Automatisierung betrifft längst nicht mehr nur Hilfsarbeiterjobs, sondern verändert auch Jobs für gut gebildete Leute. In vielen Fällen ist es sogar einfacher, einen wissensbasierten Job zu automatisieren als einen, der körperliche Koordination erfordert."

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In seinem aktuellen Buch nennt Ford einige Beispiele für Berufe, die künftig automatisiert werden könnten. Allerdings eher durch Algorithmen und Software, denn durch Roboter.

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Martin Ford plädiert auf Grund seiner Prognosen für ein bedingungsloses Grundeinkommen, der technologische Fortschritt mit massenhaft automatisierten Jobs führe sonst zu einer dramatischen Ungleichheit.

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STANDARD: Herr Ford, ich habe die letzten Tage einige Stunden damit verbracht, Ihre Bücher und Interviews zu lesen. Nach der Lektüre fällt es sehr schwer, nicht an eine Zukunft zu glauben, in der ein Algorithmus das alles in einer Sekunde geschafft und in der nächsten die Fragen an Sie formuliert hätte. Muss ich um meine Arbeit fürchten?

Ford: Fürchten nicht. Aber wir sollten zumindest besorgt sein und deswegen damit beginnen, über die Implikationen dieses Prozesses nachzudenken. Dabei ist es wichtig, nicht in Panik zu verfallen, sondern nach vernünftigen Lösungen zu suchen. Wir müssen verstehen, dass in Zukunft nicht mehr alles so funktionieren wird wie bisher. Technischer Fortschritt kommt nicht mehr allen zugute, wie das historisch der Fall war. Ohne die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird es große Probleme geben.

STANDARD: Mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen meinen Sie ein Grundeinkommen?

Ford: Ja. Ohne ein solches Instrument wird die Ungleichheit dramatisch zunehmen. Wenn Menschen keine Arbeit mehr haben, brauchen sie ja dennoch ein Einkommen – erstens, damit sie überleben können, und zweitens, damit sie die Wirtschaft am Leben halten. Bis jetzt wurde das noch in keinem Land flächendeckend umgesetzt – man weiß nicht, ob es funktioniert.

STANDARD: Noch hat diese Bewegung nicht viele Unterstützer. Wie könnte man das Thema auf die politische Agenda bringen?

Ford: Die Menschen müssen verstehen, was Technologien wie Algorithmen, Robotik oder künstliche Intelligenz alles verändern werden. Zwar sind momentan viele Bürgerinnen und Bürger wütend und unzufrieden – man sieht das in den USA an der Unterstützung für Donald Trump, aber natürlich auch in Europa. Dennoch gibt es kaum welche unter diesen Wütenden, die den Grund für niedrige Einkommen oder Arbeitslosigkeit im technologischen Fortschritt sehen.

STANDARD: Mit zunehmender Automatisierung wird das Kapital, das die Maschinen kauft, immer mehr, und die Menschen bleiben als bloße Konsumenten zurück?

Ford: Die Bürger sollten ein Recht auf das durch den technologischen Fortschritt akkumulierte Kapital haben. Das muss garantiert werden, denn der Grundstein für diesen Fortschritt wurde nicht von einigen wenigen, sondern vielen Innovatoren über viele Jahre gelegt. Natürlich ist es eine immense politische Herausforderung, vor allem in den USA mit ihren geringen Steuern und Abgaben – in Europa könnte es schneller gehen. Aber die Etablierung wäre dennoch ein wahrscheinlich sehr langer Prozess. Deswegen sollten wir uns jetzt darüber Gedanken machen.

STANDARD: Eine beliebte Antwort auf die automatisierte Zukunft lautet mehr und adäquatere Bildung. Sie stimmen da allerdings nicht zu?

Ford: Das Problem ist, dass intelligente Maschinen und Algorithmen sehr schnell dazulernen. Automatisierung betrifft längst nicht mehr nur Hilfsarbeiterjobs, sondern verändert auch Jobs für gut gebildete Leute. In vielen Fällen ist es sogar einfacher, einen wissensbasierten Job zu automatisieren als einen, der körperliche Koordination erfordert. Im Softwarebereich ist man viel weiter als im Hardwarebereich, also bei den klassischen Robotern.

STANDARD: Die aktuell geringen Einstiegsgehälter für Uni-Absolventen in den USA sehen Sie bereits als erstes Zeichen für diese Entwicklung?

Ford: Absolut. Rechtsgehilfen, die für eine Prozessvorbereitung hunderte Akte wälzen müssen, werden in vielen Kanzleien schon durch Software ersetzt. Das sind teilweise Leute, die an renommierten Unis studiert haben. Auch in der Finanzbranche sind viele anspruchsvolle Jobs verschwunden. Dieser Trend wird sich in Zukunft verstärken.

STANDARD: Wie wird Bildung dann aussehen, und welchen Stellenwert wird sie haben?

Ford: Natürlich bleibt Bildung essenziell für das Funktionieren einer Gesellschaft. Sie sollte allerdings von Berufsausbildung entkoppelt werden. Menschen sollen sich in Zukunft auch dann weiterbilden, wenn das nicht mit beruflichem Aufstieg verbunden ist. Wenn sie keine Arbeit mehr haben, können die Leute sich auch wieder anderen Dingen widmen. Vorausgesetzt, es gibt eine Absicherung wie das Grundeinkommen.

STANDARD: Es hieß doch schon vor vielen Jahren, dass durch technologischen Fortschritt massiv Arbeitsplätze wegfallen werden.

Ford: Es stimmt, dass diese Automatisierungsangst schon länger existiert. Ich glaube nicht, dass diese Einschätzungen falsch waren, nur eben zu früh. Nun sind wir aber an jenem Punkt angelangt, wo Maschinen damit beginnen, menschlichen Verstand zu überbieten – nicht nur unsere Muskelkraft.

STANDARD: Wie steht es um Ihren eigenen Job? Schreibt das nächste Buch ein Algorithmus?

Ford: Könnte sein. Ich glaube, das liegt aber noch in weiter Ferne. In der Zwischenzeit werden allerdings viele andere Jobs verändert werden oder verschwinden. Ich sehe es als meine Aufgabe, Bewusstsein dafür zu schaffen. (Lara Hagen, 10.5.2016)