Der stumme Schrei als Ausdruck der Verzweiflung des Elliot Rodger: Katrin Grumeth (li.), Sebastian Muskalla und im Hintergrund das Elektronikduo Wælder.

Foto: Chloe Potter

Wien – Auf dem Stuhl räkelt sich die Darstellerin unter Stöhnen und Hauchen von "Hummer", "Räucherlachs" und "Filet Mignon". Untermalt von den wummernden Beats des Elektronikduos Wælder ist der Brunch-Porno nur ein Teil des Stücks "Hi. Elliot Rodger Here" im Werk-X-Eldorado.

Mit 22 Jahren noch Jungfrau und ungeküsst, ist der Genuss von kostspieligem Essen das einzige leibliche Wohl, das Elliot Rodger je erfahren hat. Am 23. Mai 2014 macht er sich mit drei Schusswaffen und 400 Patronen auf zur Schwesternschaft an der Universität, UCSB Kalifornien, tötet sechs Menschen, 14 weitere werden schwer verletzt. Anschließend richtet er sich selbst. Grund: Rache für die Zurückweisung schöner, blonder Mädchen.

In der Inszenierung von Fanny Brunner, eine Produktion von dreizehnterjanuar, geben sich Katrin Grumeth und Sebastian Muskalla den inneren Widersprüchen des von Ideologien geplagten Rodgers hin: Stellt Muskalla den verunsicherten, zurückgewiesenen Part dar, der mit scheuem Blick nach Akzeptanz lechzt, so verweigert Grumeth ihm diese durch den radikalen Zwang zur Handlung, die Retourkutsche an die Gesellschaft.

Nur Stunden vor seiner monströsen Tat veröffentlicht der Amokläufer sein 140-Seiten-Manifest "My Twisted World – The Story of Elliot Rodgers", auf dessen Vorlage die Inszenierung basiert. Daniel Angermayr arrangiert die Worte auf der Bühne wie eine chaotische, nach außen gestülpte Gedankenwelt.

Es sind die verstörenden Elemente des Stücks, die völlig in ihren Bann ziehen: Beängstigend ertönen aus dem Mischpult unter ekstatischem Drücken des Knopfes Schüsse und Mädchenkreischen, während Muskalla mit einer Krücke wild gestikulierend das Gewehr mimt. Bis an den Rand des Würgereflexes stopfen sie sich Kekse in den Mund, die Livemusik von Wælder verleiht der Handlung eine eindringliche Dynamik. (Anja Krämer, 6.5.2016)