Die europäische Integration ist letztlich das, was wir aus ihr machen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Der traditionell am 9. Mai begangene Europatag stand schon einmal unter einem besseren Stern. Die Uneinigkeit der EU-Länder über den Umgang mit der Flüchtlingsfrage, die Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen, Misstrauen gegenüber TTIP-Verhandlungen, die schwache außen- und sicherheitspolitische Performance der Union und nicht zuletzt die Unsicherheit über die Zukunft Großbritanniens innerhalb oder außerhalb der EU lassen keine Aufbruchstimmung aufkommen.

Aber wie erfolgreich wären wir eigentlich ohne europäische Integration vor dem Hintergrund all dieser Herausforderungen?

Renationalisierungstendenzen

Konstruktive Kritik an der geringen europäischen Handlungsfähigkeit ist notwendig. Grund dafür sind aber – neben der Komplexität der Probleme – insbesondere divergierende nationale Partikularinteressen, die ein gemeinsames europäisches Vorgehen blockieren. Ein Teufelskreis, der zu einem politischen Vertrauensverlust auf allen Ebenen führt und Renationalisierungstendenzen befeuert.

Gerade am Beispiel der Flüchtlingskrise wird deutlich, dass die Debatte auf eine zunehmend schiefe Bahn geraten ist. "Kampfrhetorik" zwischen Nachbarstaaten und die Heraufbeschwörung eines akuten Notstands vermitteln der Bevölkerung ein verzerrtes Bild der Realität. Dabei hat die Schließung der Westbalkanroute in Kombination mit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens die Lage sichtlich beruhigt. Der rhetorische Grenzaktionismus und die einhergehende Panikmache sind daher größtenteils hausgemacht. Als ob unser Ziel tatsächlich die Bekämpfung der Flüchtenden und nicht der Fluchtursachen wäre.

Verfälschte Realität

Eine erfolgreiche Integration jener Flüchtlinge, die schon hier sind, braucht eben auch ein positives und konstruktives gesellschaftliches Umfeld. Das "offizielle" Österreich versucht sich jedoch in einer Abwehrreaktion, gibt vor, sich "unattraktiv" machen zu wollen und ignoriert damit, was – gerade auch im europäischen Vergleich – hierzulande eigentlich bisher geleistet wurde. Dies verfälscht nicht nur die Realität, die Folge ist auch eine verzerrte internationale Wahrnehmung der österreichischen – insbesondere zivilgesellschaftlichen – Bemühungen in der Flüchtlingsfrage.

Kleinstaaterei ist keine Lösung

Statt Eindimensionalität brauchen wir mehr Differenzierung. Eine klare Kommunikation, welche unbestreitbaren Herausforderungen auf der einen Seite tatsächlich bestehen, welche Spielregeln in Bezug auf Integration und Wertekodex eingehalten werden müssen, aber auch, dass Kleinstaaterei und das Aufziehen von Grenzzäunen in Europa kein einziges Problem lösen. Verstärkte Grenzkontrollen mögen zwar zurzeit – infolge des Mangels eines funktionierenden gesamteuropäischen Lösungsansatzes – notwendig sein. Was die Entwicklungen der letzten Wochen und Monate jedoch langfristig mit den Grenzen in unseren Köpfen bewirken können, sollten wir nicht leichtfertig beiseiteschieben.

Die Europäische Integration ist letztlich das, was wir aus ihr machen. Machen wir es besser, und nützen wir diese Chance! (Paul Schmidt, 9.5.2016)