Seiner Partei attestiert der Linzer Bürgermeister Klaus Luger ein hohes Maß an Engstirnigkeit: "Es gibt nur ein Rot. Kein Dunkelrot und kein Rosarot."

Werner Dedl

STANDARD: Waren Sie froh, heuer am 1. Mai nicht in Wien marschieren zu müssen?

Luger: Natürlich. In der oberösterreichischen SPÖ werden zum Glück die Differenzen noch nicht auf der Straße ausgetragen. Es ist sehr enttäuschend, wenn eine objektiv kleine Minderheit die Maifeierlichkeiten so dermaßen egoistisch und inakzeptabel gestaltet.

STANDARD: Ist es tatsächlich nur eine Minderheit, die in der SPÖ mit der Parteilinie unzufrieden ist?

Luger: Zwischen Unzufriedenheit und einen anderen Menschen auszupfeifen, liegen Welten. Aber ja, es sind tiefe ideologische Risse in der Sozialdemokratie feststellbar. Zwischen rückwärtsgewandten Traditionalisten und Menschen, die die Sozialdemokratie auch reformieren und inhaltlich neue Akzente setzen wollen.

STANDARD: Ein Neustart ist also ohne neue Köpfe nicht zu schaffen?

Luger: Es geht nicht um einzelne Personen. Und bitte keinen Neustart mehr. Tatsächlich ist die Situation nämlich viel dramatischer: Es geht um die Klärung sehr grundsätzlicher Positionen in der Sozialdemokratie. Etwa in Bezug auf eine Reform des Sozialstaates. Es ist derzeit so, dass Teile in der SPÖ die bestehenden sozialen Netze ohne Veränderungen in das nächste Jahrzehnt tradieren wollen. Man sieht das am Beispiel der Mindestsicherung: Wenn Mindestsicherungseinkommen in bestimmten Fällen höher sind als Arbeitseinkommen, dann gibt es Fehler im System. So etwas ist Gift für eine Gesellschaft. Und trotzdem gibt es Menschen in der SPÖ, die sagen, es darf sich bei der Mindestsicherung nichts verändern.

STANDARD: Eine Kürzung der Mindestsicherung – etwa für Asylberechtigte, wie es Oberösterreich plant – ist für Sie vorstellbar?

Luger: Bei Asylberechtigten willkürlich zu kürzen halte ich für falsch. Aber man muss doch über Reformen reden, wenn bei einem System wie der Mindestsicherung eindeutig Schwachstellen erkennbar sind. Das große Problem sind die Traditionalisten – und ich meine nicht die Gewerkschaft – in der SPÖ. Die haben einen extrem ideologischen Zugang, kommen zu einem großen Teil aus dem Apparat und haben noch nie Verantwortung außerhalb der Partei, etwa in Unternehmen, getragen.

STANDARD: Aber genau diese Leute sind doch in der SPÖ mit entsprechender Macht ausgestattet, oder?

Luger: Eben. Und genau da liegt das Problem. Die SPÖ wird zur ideologischen Sekte. Roten Traditionalisten halten verstaubte Dogmen hoch und bevormunden so mit sehr rigiden Verhaltensweisen Menschen. Dadurch entstehen veritable Konflikte. Wir waren einmal eine Partei der Offenheit und der Moderne. Davon ist heute nicht mehr viel zu spüren.

STANDARD: Aber was braucht es für den erhofften Aufstieg?

Luger: Eine Richtungsentscheidung. Wenn es in einer Partei bei den Kernthemen wie Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Zuwanderung zum Teil unüberwindbare Differenzen gibt, dann muss eine Entscheidung her. Was es endlich braucht, sind klare Mehrheitsbeschlüsse in der Partei. Wir diskutieren in unzähligen Sitzungen ewig über die gleichen Themen. Das ist doch unerträglich und unprofessionell. So kann man eine Partei nicht führen. Wenn Positionen nicht mehr vereinbar sind, dann entscheidet die Mehrheit.

STANDARD: Die rote Gretchenfrage lautet seit Jahren "Wie hältst du es mit der FPÖ?". Braucht es da eine Mitgliederbefragung?

Luger: Nein, das halte ich für falsch. Es braucht einen Parteibeschluss, dass jede Ebene für sich entscheiden darf, wie sie diese Frage beantwortet. Wir leben als SPÖ eben in unterschiedlichen politischen Welten. Wenn man in einer Zwangskoalition sitzt, wie wir in Oberösterreich, ist es sehr schwierig zu sagen: "Bei der FPÖ streif' ich nicht an." Ich bin für einen völlig entspannten Pragmatismus: Die Wiener sollen sich im Burgenland nicht einmischen, ich mische mich in Wien nicht ein. Und jeder darf selbst entscheiden. (Markus Rohrhofer, 7.5.2016)