Apotheken genießen in Österreich nach wie vor Gebietsschutz. Das macht sie für Neueinsteiger fast unerschwinglich.

APA, Gindl

Wien – Zwischen österreichischen Apothekern tut sich ein tiefer Graben auf. Es geht um den Einfluss des Großhandels auf ihr Geschäft und um Angst vor einer wachsenden Macht weniger Konzerne, die den pharmazeutischen Markt zusehends unter sich aufteilen.

Auf der einen Seite stehen unabhängige Einzelunternehmer. Es sind laut Apothekerkammer rund 40 Prozent der Apotheker. Auf der anderen Seite sammeln sich Konkurrenten, die als Gesellschaft geführt sind. Viele haben Miteigentümer, oft sind es Großhändler.

Kein Apotheker kommt ohne sie aus. Die meisten beliefert der internationale Branchenriese Herba Chemosan, die übrigen versorgen Kwizda, Phoenix und Jacoby.

Wer einen Großhändler als Gesellschafter an Bord holt, der verpflichtet sich in der Regel dazu, 70 Prozent des Umsatzes über ihn abzuwickeln. Frei eingekauft wird in der Folge nur noch ein kleiner Teil des Sortiments. Der Vorteil dieser Partnerschaften, die an Bierbrauer und die Gastronomie erinnern, liegt für den Großhandel auf der Hand: Er sichert sich Absatz und steckt sein Territorium ab.

Drohender Entzug der Konzession

Wie viel Anteil externe Investoren an Österreichs Apotheken halten dürfen, ist gesetzlich geregelt: Der Apotheker als Konzessionär darf nie weniger als 25 Prozent am Betrieb besitzen und muss vor allem auch persönlich haften. Und er ist dazu verpflichtet, innerhalb von zehn Jahren seine Anteile auf 51 Prozent aufzustocken. Andernfalls droht Konzessionsentzug.

Apotheker berichten aber, dass diese Regeln schon seit Jahren systematisch umgangen werden. Von Strohkonstruktionen und Scheingesellschaften ist die Rede, die es dem Großhandel ermöglichten, eine Apotheke in der Praxis zu hundert Prozent zu kontrollieren. Etliche Modelle dazu seien im Umlauf, von Krediten der Großhändler, die der Konzessionär nicht bedienen müsse, bis zu Klauseln, die ihn von der Haftung mit privatem Vermögen befreiten. Mit dem Effekt, dass er nur nach außen hin auf dem Papier als Eigentümer der Apotheke aufscheine.

Kritiker dieser Praxis sehen darin abgesehen von Gesetzesverstößen einen Vormarsch großer Konzerne auf Kosten rein privater kleiner Betreiber. Vieles laufe auf Kettenbildung hinter den Kulissen hinaus, auf ein Match unter wenigen mächtigen Spielern, was auf Dauer zu weniger Wettbewerb führe.

"Strenge Kontrollen"

Es wäre schlimm, würde das im großen Maßstab stattfinden, sagt Rainer Prinz, stellvertretender Direktor der Apothekerkammer und Leiter ihrer Rechtsabteilung. Medikamentenversorgung gehöre vor Fremdeinflüssen geschützt. Und Apotheker dürften sich nicht Konzernen gegenüber verantwortlich fühlen, die Umsatzziele vorgeben.

Prinz betont die strenge Kontrolle und das harte Vorgehen der Kammer, die Genehmigungen für Beteiligungen erteilt und Verträge prüft. Etwaige Einflussnahme von Funktionären, die Großhändlern nicht selten als Aufsichtsräte dienen, weist er entschieden zurück. "Die Rechtsabteilung lässt sich hier nichts dreinreden." Letztlich sei aber jeder Apotheker selbst gefordert, sich genau zu überlegen, welche Verträge er eingehe.

"Das Gesetz ist kristallklar", sagt Andreas Windischbauer, "und die Kammer prüft jeden Vertrag." Natürlich gebe es Fälle, wo der Großhandel auch die Anteile des Konzessionärs mitfinanziere, ergänzt der Vorstand der Herba Chemosan und Präsident der Arge Pharmazeutika. "Der Konzessionär hat jedoch stets die Fäden in der Hand."

"Wette auf die Zukunft"

Herba Chemosan etwa sei an gut 50 Apotheken beteiligt, ihr Marktanteil im Großhandel liege bei 45 Prozent. Der Kauf einer Apotheke sei immer auch eine Wette auf die Zukunft, ist Windischbauer überzeugt. Zur Erklärung: Der Wert eines Standorts hängt derzeit an der Bedarfsregelung, die den Gebietsschutz absichert. Eine neue Apotheke darf nämlich nur eröffnen, wenn es für sie ein gewisses Einzugsgebiet gibt. Entsprechend viel Geld ist daher für bestehende hinzublättern. Vier bis fünf Millionen Euro für eine Apotheke, mehr als das Doppelte ihres Umsatzes, sind in Österreich durchaus üblich, erzählen Marktkenner.

Ohne finanzielle Hilfe oder eine Bürgschaft des Großhandels, der seine Risiken streut, sind Investitionen in dieser Höhe für Private schwer zu stemmen. Was wiederum die Fantasie anregt, vertragliche Konstruktionen zu finden, die ihr persönliches Risiko limitieren. Denn auch Geldgeber wie die Apothekerbank wollen Sicherheiten. Für den Fall etwa, dass der Gebietsschutz fällt oder Händler wie Dm ins Arzneigeschäft einsteigen. (Verena Kainrath, 9.5.2016)