Anfang des Vormonats war es wieder einmal so weit: Das jüngste SPÖ-Regierungsmitglied, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, gab eine Lektion seines Politikverständnisses: Als Vorsitzender der "Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation" forderte er eine "zivil-militärische EU-Mission zum Schutz der Außengrenze". Der Gratisboulevard war begeistert, Kritik war nicht zu vernehmen.

Man stelle sich vor: Ein österreichischer Sozialdemokrat fordert nichts anderes als den (Dauer-) Einsatz von Militär im EU-Inland. Die kritische Distanz gegenüber bewaffneten militärischen Einheiten – eine ideologische Konstante der SPÖ – einfach weggewischt. Ganz zu schweigen von der europarechtlichen Fragwürdigkeit einer solcher Forderung: Zivil-militärische EU-Missionen sind ein Instrument der Außen- und Verteidigungspolitik; solche Missionen finden (wenn überhaupt) im EU-Ausland statt. Jetzt offenbar nicht mehr. Wenn es nach den Vorstellungen des österreichischen Verteidigungsministers geht, wird Europas Sicherheit in Zukunft etwa bereits am Brenner verteidigt.

Es ist bezeichnend für den Zustand der österreichischen Innenpolitik, dass diese ominöse zentraleuropäische Verteidigungskooperation nicht hinterfragt wird. Selbst die üblichen und selbsternannten Neutralitätsbewahrer schweigen beharrlich. Der Central European Defence Cooperation (CEDC) gehören neben Österreich noch Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien an; Polen hat Beobachterstatus. Am Treffen in Wien haben zusätzlich Vertreter aus Mazedonien, Serbien und Montenegro teilgenommen. Unter österreichischem Vorsitz haben diese Staaten sicherheitspolitisch ambitionierte Forderungen aufgestellt, die "gemeinsam" gegenüber der Europäischen Union beim Ministerratstreffen in Luxemburg vertreten werden sollen.

Welcher Teufel reitet das neutrale Österreich, sich an einer regionalen Verteidigungskooperation außerhalb der EU-Strukturen zu beteiligen? Die anderen Mitglieder sind allesamt Nato-Mitglieder. Also Teil eines – zumindest bisher für SPÖ-Kreise – nicht anzustrebenden Klubs. Um es ganz deutlich auszusprechen: Das neutrale Österreich fraktioniert innerhalb der EU-Sicherheits- und -Verteidigungspolitik mit ein paar osteuropäischen Nato-Staaten; und holt auch gleich noch drei Non-EU-Staaten vom Balkan mit ins Boot. Hat sich irgendjemand in der österreichischen Bundesregierung über diese Tatsache auch nur einen Moment den Kopf zerbrochen?

Offensichtlich vollkommen widerspruchslos kann und darf Doskozil Österreichs Verteidigungspolitik beharrlich auf Nato-Schiene bringen. Oder gibt man sich der irrwitzigen Illusion hin, dass Nato-Staaten im CEDC-Format plötzlich zu friedliebenden Lämmchen werden?

Die schleichende Versicherheitlichung der Innenpolitik gewinnt jedenfalls an Fahrt. Da die SPÖ außen- und europapolitisch nachhaltig keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt, hat man sich augenscheinlich auf den Bereich Verteidigungspolitik verlegt. Egal worum es sich auch gerade dreht, als Allzweckwaffe wird das Bundesheer ins Spiel gebracht. Ob UN- und EU-Einsätze in Afrika oder die Anwendung der EU-Beistandspflicht nach den Anschlägen von Paris: Immer wird vollmundig die Entsendung von österreichischen Hercules-Transportflugzeugen (Gesamtbestand übrigens ganze drei Stück) sowie einer Handvoll Bundesheersoldaten angeboten. Das war bisher allenfalls peinlich und armselig angesichts der eingeschränkten Kapazitäten.

Jetzt drängt das Verteidigungsressort aber auch in die klassische Innenpolitik: Militärische Ressourcen sollen für Rückführungen genutzt und Schmuggler, Schlepper und Terroristen bekämpft werden. Dabei handelt es sich zwar um originäre zentrale Polizeiaufgaben. Das scheint aber nicht mehr wichtig. Statt mehr Polizisten auf die Straße lautet die neue SPÖ-Forderung: Mehr Soldaten auf die Straße! Dass so etwa allen Prinzipien und der Tradi-tion österreichischer Sozialdemokratie widerspricht, kümmert niemanden mehr.

Vor über 20 Jahren verunglimpfte Jörg Haider den damaligen SPÖ-Innenminister Franz Löschnak als seinen besten Mann in der Regierung. Dieser und seine Partei waren zu Recht empört und widersprachen. Würde Heinz-Christian Strache Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil heute als seinen besten Mann bezeichnen, wäre die SPÖ bloß geschmeichelt. So ändern sich die Zeiten. (Stefan Brocza, 9.5.2016)