Wie findet man einen Job? Welche Arbeitskräfte werden von Firmen gesucht? Und wie funktioniert das alles hier in Österreich? Das AMS bietet Flüchtlingen mit dem Kompetenzcheck Orientierungshilfe.

Foto: Maria von Usslar

Wien – Die Frau im Youtube-Video redet von Käse und soll die jungen Syrer im Raum dazu motivieren, sich in Österreich anzustrengen. Die Syrerin trägt Kopftuch, ist nach England geflohen und hat eine Firma gegründet, die Dama produziert. Der schmeckt ähnlich wie der griechische Halloumi und soll von der Bekanntheit her so etwas wie die syrische Mozartkugel sein.

"Schaut, was alles möglich ist", sagt Faisal Ahmad* und gestikuliert dabei wild herum. Der Syrer, schwarzer Pulli, graue Haare, strenger Blick, ist seit 25 Jahren in Österreich und seit dem Vorjahr eine Art Integrationscoach. Die Businessfrau mit Kopftuch hat er ganz bewusst ausgewählt: Erfolgreiche Frauen, das ist ungewöhnlich für die zehn jungen Syrer im Raum. In Europa geht das.

derStandard.at

Ahmad ist ein kleines Puzzleteil im Bemühen der Politik, die im Vorjahr angekommenen 90.000 Flüchtlinge zu integrieren. Langsam läuft die Maschine an: 12.500 Flüchtlinge sollen heuer den sogenannten "Kompetenzcheck" des Arbeitsmarktservice durchlaufen. Etwa ein halbes Jahr lief ein Pilotprojekt, jetzt geht er in Wien in Serie. Das Burgenland und die Steiermark sollen folgen.

Zielgruppe: Arbeitslose Flüchtlinge mit positivem Asylbescheid, bei denen die AMS-Betreuer noch nicht wissen, wohin die Reise geht. Der Unterricht findet für die meisten in der Muttersprache statt, am Ende soll ein Plan für die nächsten Schritte und ein Lebenslauf stehen.

Einführung in das neue Leben

Der Name Kompetenzcheck führt aber etwas in die Irre. Denn eigentlich geht es in den fünf bis sieben Wochen mehr darum, was die Flüchtlinge in Österreich machen können. Wie funktioniert das mit der Jobsuche? Den Schulen? Wo gibt es Arbeit? Und wie ticken die Leute hier? Auch das Sozial- und Gesundheitssystem, die österreichische Geographie und Geschichte soll in gesamt 50 Stunden in der Gruppe durchgenommen werden. Zusätzlich gibt es für jeden ein paar Einzelstunden.

Das Programm für den Kompetenzcheck bei Murad & Murad.
Foto: Andreas Sator

Kompetenzen werden kurz zu Beginn "gecheckt". Akademiker bringen da meistens ihre Dokumente mit, sagt Christian Lang von Murad & Murad, eines von elf Instituten, die die Checks durchführen. Wer einen Beruf gelernt hat, wird einen Tag zur Überprüfung in eine Lehrwerkstatt, idealerweise in Betriebe geschickt, an denen es derzeit aber noch mangelt. Wer angibt, ein Gymnasium absolviert zu haben, dem muss man glauben. Außer er kann offensichtlich nicht lesen und schreiben.

Gleiches gilt für Akademiker ohne Papiere. Früher oder später fliegt das aber auf, spätestens, wenn der vermeintliche Biologe beim Bewerbungsgespräch bei einem Forschungsinstitut sitzt. Die Flüchtlinge gibt es freilich nicht. Bei den Kursen findet sich ein 21-Jähriger, seit eineinhalb Jahren in Österreich, er spricht hervorragend Deutsch, will Medizin studieren. Ein anderer ist fünf Jahre da, spricht kaum Deutsch, will Hilfskraft werden.

Käse außer Reichweite

Dass die erfolgreiche Unternehmerin mit ihrem Käse für viele außer Reichweite ist, wissen die Flüchtlinge aber selbst. So hat zwar ein Zwischenergebnis im Jänner ergeben, dass die 200 getesteten Syrer formal besser gebildet sind als die österreichische Bevölkerung. Das syrische Bildungssystem ist laut dem Bildungsexperten Ludger Wößmann aber nicht mit dem in Deutschland oder Österreich zu vergleichen.

Am Ende des Kompetenzchecks steht ein Ergebnisbericht, der dem AMS die Arbeit mit Flüchtlingen erleichtern soll. Murad & Murad hat dem STANDARD einen anonymisierten Bericht zur Verfügung gestellt.
Foto: Andreas Sator

Ein Achtklässler in Syrien ist vereinfacht gesagt auf dem Stand eines Dritt- oder Viertklässlers in Deutschland. Zwei Drittel der 14-Jährigen können nicht sinnerfassend lesen oder schreiben, sind also funktionale Analphabeten. Schon in Deutschland geborene Jugendliche bleiben auf diesem Niveau oft ohne Berufsausbildung und werden arbeitslos, sagt Wößmann vom ifo-Institut.

Das Bildungssystem im Irak und in Afghanistan dürfte noch weitaus schlechter sein. In Afghanistan ist jeder dritte Mann ein Analphabet. Wer da aber genau gekommen ist, weiß auch in Deutschland noch niemand. In Österreich soll der Kompetenzcheck Klarheit schaffen.

Auch Küchenarbeit macht satt

Auch Integrationscoach Ahmad macht klar: "Es ist keine Schande, am Anfang in der Küche sauber zu machen." Zum Schämen sei es, nicht zu arbeiten, obwohl man jung und kräftig sei. Am häufigsten werde er gefragt: "Mögen oder hassen uns die Österreicher?" Seine Antwort: "Die Menschen hier hassen nur die Blöden, egal woher sie kommen." (Andreas Sator, 10.5.2016)

* Name von der Redaktion geändert