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Wichtig fürs Ökosystem: Der Geier kann durch nichts ersetzt werden.

Foto: REUTERS/Enrique Calvo

Salt Lake City – Ihr Image ist nicht das beste, und vielleicht werden sie deshalb in ihrer Bedeutung für das Ökosystem unterschätzt. Geiern wird zwar der Titel einer "Gesundheitspolizei" zugestanden – was diese tatsächlich leistet, listet nun aber eine Studie der University of Utah auf. Zugleich weist diese darauf hin, dass Geier weltweit eine bedrohte Vogelgruppe sind.

Als hochspezialisierte Aasfresser verfügen Geier über eine so stark konzentrierte Magensäure, dass diese die meisten pathogenen Keime abtötet. Und sie haben die günstige Angewohnheit, sich von menschlichen Siedlungsgebieten eher fern zu halten: Sie nehmen also ihre gesundheitsschädliche Beute dorthin mit sich, wo sie uns nichts anhaben kann.

Andere Aasfresser sind kein Ersatz

Ganz anders sieht es aus, wenn die Geierbestände schwinden und sich andere Raubtiere auf herumliegende Kadaver stürzen: Ob Hunde, Katzen, Krähen, Möwen oder Ratten: Solche Gelegenheitsaasfresser können die Keime in Siedlungsgebieten einschleppen. Die Wissenschafter um Evan Buechley und Çağan H. Şekercioğlua nennen als Beispiel Indien, wo Mitte der 1990er Jahre die Geierbestände einbrachen. Zugleich nahm die Zahl verwilderter Hunde extrem zu, die sich von dem Aas ernähren konnten, das sonst die Geier entsorgt hätten. Die dichter gewordene Hundepopulation wiederum ermöglichte eine Tollwutepidemie, der von 1992 bis 2006 auch 48.000 Menschen zum Opfer fielen.

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich laut den Forschern in Subsahara-Afrika ab, dem jüngsten Problemgebiet, was Geier anbelangt. Und wie bei allen vorherigen ist auch hier Gift der zentrale Faktor. Der Kalifornische Kondor beispielsweise stand Anfang der 1980er Jahre kurz vor dem Aussterben, weil die Vögel an dem Blei verendeten, das angeschossene Wildtiere im Körper hatten. In Indien löste der medizinische Wirkstoff Diclofenac ein verheerendes Geiersterben aus: Dieser wurde in der Rinderzucht als Entzündungshemmer eingesetzt – auf Geier wirkt er jedoch tödlich. In Afrika sind es verschiedene Stoffe in Giftködern, die für Raubtiere ausgelegt werden.

Kaskadeneffekte

Ein grundlegendes Problem ist dabei das Sozialverhalten von Geiern. An einem Kadaver können sich Dutzende oder gar Hunderte Vögel einfinden. Das Kollektiv hilft ihnen, bodenlebende Aasfresser abzuschrecken – dafür sind anschließend aber auch alle Vögel vom Gift betroffen. Als extremes Beispiel nennen die Studienautoren den Fall eines vergifteten Elefantenkadavers in Namibia aus dem Jahr 2007, der insgesamt 600 Geier tötete.

Da die großgewachsenen Geier eine relativ langsame Reproduktionsrate haben, plädiert Buechley dafür, jetzt in Schutzmaßnahmen für Geier zu investieren. Der Erhalt des Kalifornischen Kondors habe gezeigt, dass es möglich ist, eine Art zu retten. Der Aufwand werde jedoch immer größer, je länger man zuwartet. (red, 14. 5. 2016)