Die Zauberküche weiß nicht nur, was im Kühlschrank vorhanden ist, sondern schlägt aus einem virtuellen Kochbuch Rezepte vor.

Foto: Miele

Die Designmeile "Zona Tortona" ist der Ort in Mailand, an dem sich seit Jahren abseits der großen Möbelmesse die coolen Berteln treffen, wo man auf Paletten-Möbeln Apérol-Spritz schlürft und das experimentelle Design aus aller Welt seine prächtigen Blüten zeigt.

Irgendwie logisch, dass auch die großen Firmen an dieser Atmosphäre mitnaschen wollen. So auch das Unternehmen Miele, das während der Zeit der Messe im April 600 Journalisten aus aller Welt nach Mailand einflog, um abseits vom Stand auf der Messe, seine "Invisible Kitchen", eine Reise in die Zukunft der Küche, in einem verdunkelten Backsteinbau vorzustellen.

So unsichtbar wie angekündigt ist die "Invisible Kitchen" dann aber doch nicht. Im Prinzip ist die Installation eine Art schwebender, lichtdurchfluteter Ring mit acht Metern Durchmesser, der auf vier Säulen in einigen Metern Höhe ruht. Gefüllt ist das ufoartige, gläserne Ding mit allerlei säuberlich angeordnetem Hausrat aus der Küche: Schalen, Tellern, Gläsern, Backformen etc. Getaucht ist die Szenerie in Klänge, die an ein Spa erinnern.

Zauberküche

Als wäre das Ganze ein Theaterstück, taucht auf dem Ring ein Koch namens Herbert samt Assistentin auf. Herbert zückt eine Karotte, legt sie auf ein Sensorenfeld, das den ganzen Ring umspannt, ehe auf einem Display erscheint, woher die Karotte stammt, was sie wiegt und wie lange sie sich zum Verzehr eignet. Namen hat sie keinen. Bei der nachfolgenden Chilischote wird sogar der Schärfegrad angezeigt.

Doch das ist nur der Beginn des Hokuspokus. Mit teutonischem Schmäh erzählt Herbert von der völlig vernetzten "Invisible Kitchen". Die Zauberküche weiß nicht nur, was im Kühlschrank vorhanden ist, sondern schlägt aus einem virtuellen Kochbuch Rezepte vor. Knöpfe gibt's freilich keine. Hier wird getoucht. Natürlich ist dieses Ding auch Sommelier, schlägt den passenden Tropfen vor, kennt die Temperatur des Weines und weiß, wo seine Reben sprossen.

Und doch soll diese Küche in erster Linie Kreativität fördern, wie es Miele-Designchef Andreas Enslin (siehe Interview) ausdrückt. Bei Miele versteht man das Projekt als Kochberater, der Hilfestellung gibt, wenn man unsicher ist und eingreift, bevor etwas in die Hose geht. Man stelle sich vor, die Milch würde übergehen. Die Technologie für die Zauberküche stammt aus verschiedenen Vorentwicklungsprojekten des Miele-Designcenters.

So faszinierend und beeindruckend das Happening letztlich ist, wundert man sich, wie unsinnlich Kochen sein kann, und sehnt sich nach einem hölzernen Schneidbrett – Zwiebel und Knoblauch drauf, völlig egal, wie schwer die Knollen sind. Und nach einem Geschirrhangerl. Es darf auch ruhig Flecken haben. (maik, RONDO, 13.05.2016)