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Der spanische Torero Jesus Alvarez ist bei einem Stierkampf in Madrid nur zweiter Sieger.

Foto: AP/Francisco Seco

"Spanien ist anders" – so lautete einst der Werbeslogan der iberischen Tourismusindustrie. Erfolgreich vermarktete sie das Bild eines Landes mit Fiesta, Flamenco und Stierkampf. Und genau Letzterer sorgt jetzt wieder für Schlagzeilen. Der Grund: Die Konservativen unter dem amtierenden Regierungschef Mariano Rajoy wollen den Ausbildungsberuf Stierkämpfer in die staatliche Berufsbildung aufnehmen.

"Der Stierkampf ist ein künstlerischer Ausdruck, frei von Ideologie, der einen Teil der traditionellen, volkstümlichen Kultur darstellt", heißt es im künftigen Lehrplan. Wer die zweijährige Berufsausbildung "Kunst des Stierkampfes und Hilfskraft in Zuchtbetrieben" durchläuft, soll einen Abschluss als "Matador", der Stierkämpfer mit dem Recht, das Tier zu töten, "Bandillero", der die Spieße mit den bunten Fähnchen in den Rücken des Stieres rammt, oder "Picador", der vom Pferd aus das Tier mit einer Lanze malträtiert, erhalten. Außerdem soll er befähigt sein, in der Zucht von Kampfstieren zu arbeiten. Die Berufsausbildung richtet sich an Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren ohne Hauptschulabschluss und steht damit künftig auf einer Ebene mit einer Gärtner-, Tischler- oder Töpferausbildung.

Lernen wird der Stierkampflehrling neben Sprache, Literatur, Englisch und Mathematik die Geschichte des Stierkampfs oder die Methoden, wie die prunkvolle Tracht eines Stierkämpfers "in perfektem Zustand erhalten wird". Außerdem trainiert er die verschiedenen Figuren und Bewegungen in der Arena im Kampf mit dem Tier.

Stierkampf "im Verfall begriffen"

Die Stierkampfschulen zeigen sich begeistert, denn das würde ihnen den Weg zu öffentlichen Geldern öffnen. Doch das Vorhaben stößt auch auf Widerstand. 470.000 Menschen unterschrieben bisher eine Internetpetition gegen diesen Plan. Er "hält eine Tradition aufrecht, die im Verfall begriffen ist und bei der zudem 15-Jährigen beigebracht wird, Tiere zu foltern", heißt es.

Auch Eltern-, Schüler- und Lehrerverbände melden sich zu Wort. "Die Bildungsreform hat Einschnitte bei Philosophie, Musik und Sport gebracht und den Religionsunterricht ausgeweitet, und jetzt noch das mit dem Stierkampf", sagt Isabel Galvín von der Lehrergewerkschaft. Sie ist sich sicher, dass die Konservativen nur ein Ziel haben: "Es geht ihnen um Ideologie. Sie wollen ihr Konzept von Spanien durchsetzen."

Der künftige Lehrberuf Stierkämpfer ist eine Antwort auf die zunehmende Ablehnung des Spektakels, das von seinen Anhängern "nationales Fest" genannt wird. Die konservative, monarchistische Tageszeitung "ABC" ist sich dessen bewusst und schreibt von einer "guten Nachricht für die Branche, die in einem Augenblick kommt, in dem sie zahlreichen Angriffen der Stierkampfgegner und der Politik ausgesetzt ist".

Keine weiteren EU-Zuschüsse

Die Stierkampfgegner in Spanien erhielten zuletzt immer mehr Zulauf. In Katalonien wurden die Arenen durch die nationalistische Autonomieregierung geschlossen. Auf Druck der spanischen Grünen stimmte das EU-Parlament Ende vergangenen Jahres gegen weitere Zuschüsse für Stierzucht aus der europäischen Landwirtschaftshilfe.

Vor der Krise, 2006, wurden in etwa 5.000 spanischen Dörfern und Städten 17.000 Stierspektakel abgehalten. Dabei wurden 15.000 Stiere getötet. Die Branche setzte 1,5 Milliarden Euro um und beschäftigte rund 200.000 Menschen. Seither geht es bergab.

So manche Gemeinde hat die Stiere aus Geldmangel aus dem Programm des Dorffestes gestrichen. Und seit in mehreren Großstädten Bürgerlisten unter Beteiligung der jungen Antiausteritätspartei Podemos regieren, werden zunehmend kommunale Zuschüsse für Stierkampfschulen gekürzt oder ganz ausgesetzt. So will die Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena nicht einsehen, warum ihre – dank der Politik ihrer konservativen Vorgängerin – hochverschuldete Stadt weiterhin die Stierkampfschule fördern solle, da doch das Geld dringender im Sozialbereich gebraucht werde. Künftig muss die Schule im Stadtwald, aus der einige der bekanntesten Stierkämpfer des Landes hervorgegangen sind, ohne Zuschuss auskommen.

"Stierkampf Teil unserer Identität"

Nun will aber die konservative Landesregierung Madrid einspringen. Ministerpräsidentin Cristina Cifuentes von Rajoys Partido Popular (PP) wird künftig die Schule finanziell unterstützen, weil sie "eine wichtige soziale Rolle" habe. Und sie ist auch bereit, den Berufsbildungsplan Stierkampf umzusetzen, sobald er von der spanischen Regierung freigegeben wird. "Der Stierkampf ist ein wichtiger Teil unserer Identität und unserer Kultur", sagt sie. (Reiner Wandler aus Madrid, 11.5.2016)