Klement Tockner meint, Exzellenz sei kein Luxus.

Foto: privat

Gabriele Anderst-Kotsis will mehr Blue-Sky-Research.

Foto: JKU

Walter Berka meint, als Jurist für Ausgleich sorgen zu können.

Foto: Cremer
Grafik: STANDARD
Foto: privat/JKU/Cremer

Wien – Wer Präsident des Wissenschaftsfonds FWF werden will, muss zweifelsohne einen Zugang zur österreichischen Wirklichkeit haben. "Die Grundlagenforschung wird hierzulande wohl nie ein Volkssport", sagt etwa der Jurist Walter Berka (67) von der Universität Salzburg. Er hat sich um das Amt des FWF-Chefs beworben, sein Name ist wie jener der Informatikerin Gabriele Anderst-Kotsis (48) von der Kepler-Universität Linz und jener des Biologen Klement Tockner (53) von der FWF-Delegiertenversammlung auf einen Dreiervorschlag gesetzt worden, über den der FWF-Aufsichtsrat am 17. Mai abstimmen wird. So weit die Formalitäten.

Was Berka meint: Die fast notorische wissenschaftsfeindliche Einstellung der österreichischen Bevölkerung, die schon in mehren Eurobarometer-Umfragen, zuletzt im Herbst 2014, belegt wurde. Berka sieht dennoch auch positive Entwicklungen. Er nennt die Citizen-Science-Initiative, in deren Rahmen es zur Bürgerbeteiligung an wissenschaftlichen Projekten kommt. Auch Gabriele Anderst-Kotsis sieht hier eine Trendwende. Immerhin hätten 180.000 Menschen die vergangene Lange Nacht der Forschung besucht. Sie sei sich aber bewusst, dass noch viel Arbeit bevorstehe, ehe aus Österreich ein wissenschaftsfreundliches Land werde. Sie könne sich etwa eine Informationsinitiative des FWF an den heimischen Schulen vorstellen.

Klement Tockner, der dritte Kandidat, hat da ganz ähnliche Ideen, sagt aber auch, dass eine solche Initiative von mehreren Institutionen getragen werden müsste – auch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Tockner, derzeit Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, erinnert sich an seine Zeit an der ETH Zürich und an die Initiative "Hire a scientist". Er habe es "genossen", sein Fach Nichtwissenschaftern näherbringen zu können.

Unterfinanzierter Fonds

Wer immer in Zukunft den FWF leitet, wird den Arbeitsschwerpunkt vorerst nicht darauf legen, die österreichische Bevölkerung von der Bedeutung der Wissenschaft zu überzeugen. Überzeugungsarbeit in der Politik dürfte da mehr gefragt sein: Der FWF, Österreichs wichtigster Förderer von Grundlagenforschung, gilt als unterfinanziert. Er konnte im Jahr 2015 Bewilligungen in der Höhe von etwa 205 Mio Euro aussprechen, für die nächsten Jahre ist mit einer weiter rückläufigen Entwicklung der Bewilligungen zu rechnen, wie zuletzt bei der Bilanzpressekonferenz 2015 seitens des FWF betont wurde.

Man müsse zu vielen Projektideen die Finanzierung verwehren. Die Bewilligungsquote ohne Doktoratskollegs und das FWF-Exzellenzprogramm SFB (Spezialforschungsbereiche) liegt daher nur mehr bei 20,3 Prozent. Experten bezeichnen diese Quote als "gerade noch vertretbar".

Anderst-Kotsis, ehemalige Vizerektorin für Forschung an der Kepler-Uni, will die Bedeutung der Grundlagenforschung gegenüber der Politik "noch klarer kommunizieren, als das bisher getan wurde", und auch ein "Bedrohungsszenario" deutlich machen. "Was passiert, wenn wir der Grundlagenforschung zu wenig Geld geben? Damit wäre dann Österreich als Wirtschaftsstandort gefährdet, denn ohne relevante Wissenschaft wird es keine Innovationen geben". Anderst-Kotsis wählt einen Vergleich: "Wenn man sich nur ein Gokart kaufen kann, ist es kein Wunder, wenn andere die Formel 1 gewinnen."

Tockner argumentiert ganz ähnlich. Im Falle einer Wahl setzt er auf die Bereitschaft der Politiker, "die derzeitige Situation massiv zu verbessern." Dazu ist eine "Vertrauensbasis auf Armlänge" zu schaffen. Er werde dabei aber auch nicht müde werden, den Entscheidungsträgern eine Rechnung zu präsentieren. "Ein in die Grundlagenforschung investierter Euro bringt im Mittel etwa vier Euro Wertschöpfung."

Vergleich mit der Schweiz

Der Rechtswissenschafter Berka, der sich schon aufgrund seiner Profession befähigt fühlt, für Fairness und "Ausgleich divergierender Interessen" zu sorgen, betont freilich: "Nur mit mehr Geld wird es nicht gehen." Wenngleich er die Unterfinanzierung der Grundlagenforschung in Österreich genauso sieht wie seine Mitbewerber. "Die Schweiz hat fünfmal so viel Geld zur Verfügung, um Wissenschaft zu fördern." Berka will "die Wichtigkeit einer Trendwende in Österreich predigen".

Er glaubt aber auch, der Politik Angebote machen zu müssen. Berka sieht die Zukunft des Wissenschaftssystems darin, mehr als bisher Schwerpunkte zu fördern. Hier herrscht offenbar große Einigkeit unter den Kandidaten. Auch Tockner sagt dazu: "Exzellenz ist kein Schimpfwort und kein Luxus." Und Anderst-Kotsis meint, dass Österreich als kleines Land mehr als bisher auf Qualität setzen sollte.

Sie fordert – wie Tockner – mehr Blue-Sky-Research: Wissenschaft, die ausreichend finanziert, ohne thematische Vorgaben möglich gemacht wird. Derzeit ist das nur über den mit 1,5 Mio. Euro dotierten Wittgensteinpreis des FWF möglich. Der nächste wird schon in einem Monat, am 13. Juni vergeben. Dabei wird es diesmal nur fünf Start-Preise für exzellente Jungforscher geben. Das knappe FWF-Budget macht es offenbar nötig. (Peter Illetschko, 14.5.2016)