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Ist Okan Cömert (vorne) nun ein Engel oder Internist? Roman Blumenschein hockt als Ahmad am hin und wieder diabolisch rauchenden Kaffeeautomaten.

Foto: Andreas Friess/picturedesk

Wien – Man stimmt der Schlusspointe zu, Dichter aus Indien mögen einiges für sich haben. Gegeben wird in der Drachengasse aktuell aber ein junger Wortverbinder aus Deutschland. In Berlin studiert Leon Engler Kulturwissenschaft. Das hört man dem mittlerweile vierten Stück des 26-Jährigen, Die Schattenseite meines Lebens als Lichtgestalt, an.

Handlungskern der Uraufführung ist eine nächtliche Begegnung: Wie die Schlange im Paradiesgarten am Baum der Erkenntnis hockt Gabriel (eindringlich psychopathisch: Okan Cömert), in silberner Jacke und von überbordendem sexuellem Trieb, am Kaffeeautomaten und versucht, Ahmad (Roman Blumenschein) auf seine Seite zu ziehen. Beziehungsweise sich in das Bett des Moslems. Nicht um zu träumen, macht er klar. Ahmad aber will lieber allein heim.

Schlaflosigkeit als Subversion

Was sich daraus entspinnt, ist eine harte Konfrontation: hier der "Verdammte", für den Müdigkeit nichts weiter ist als eine Erfindung der Schlafindustrie. Überhaupt steckten sämtliche Verhaltensweisen als gesellschaftliche Repressionen in uns, man müsse sich einfach gegen diese entscheiden, zu seinem eigenen Unterdrücker werden. Drei Tage ist er in einem subversiven Akt schon wach, taumelnd zwischen Wahnsinn und Visionen.

Und dort der "Heilige", der für Allah jedem Begehr entsagt. Gar so verschieden, stellt sich nach und nach heraus, sind die beiden allerdings nicht. Ihr Gehorsam bezieht sich bloß auf verschiedene Herren. Das ist der Witz des Stücks, das sich als Ablehnung alles Dogmatischen und zugleich als Warnung vor absoluter Freiheit erweist.

Leicht bekleidete Kraxeleien

Schaffen es Termini wie der "postmoderne Agnostiker" von der zugrundeliegenden Konzeption hinüber in den Dialogtext, wirkt das mitunter arg gewollt klug. Ganz gelassen hingegen erheitert Regisseur Michael Schlecht sein Publikum mit leicht bekleideten Kraxeleien in der zum Sexsultanat umfunktionierten Wohnung Ahmads (Ausstattung: Johannes Weckl). Spät, aber effektvoll tritt hier zudem Jusuf (Wenzel Brücher) als devotes Anhängsel des Duos in das Netz von Liebe, Sex, Glaube und Gesetz ein. Wären sie, zu ihrem Besten, doch lieber ins Bett gegangen. (Michael Wurmitzer, 10.5.2016)