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Christian Kern – Ein roter Manager für die K.-u.-K.-Republik

Christian Kern geht in die Politik? "Das wäre das Beste, das Österreich passieren könnte." Sagt wer? Niemand aus der SPÖ, es war Sophie Karmasin 2012 im "Trend", jetzt für die ÖVP Familienministerin, damals noch Meinungsforscherin und hoch angetan von der roten Personalreserve, die nun zum Einsatz kommen könnte, nachdem Werner Faymann gleich zwei Jobs vakant hinterließ: Kanzler und SPÖ-Chef.

Kern, der als ambitioniert und ehrgeizig gilt, wusste und wollte, dass das auf ihn zukommt, und er weiß, wann er einen neuen Job macht oder nicht. Der 50-Jährige sagte einmal, seiner Sache sicher sei er dann, wenn er wisse, "dass ich den Job nur machen kann, wenn ich bereit bin, ihn auch wieder zu verlieren". Beste Voraussetzungen für den Posten als Kanzler und SPÖ-Chef, denen beiden eine gewisse Flüchtigkeit eigen ist.

Nun wird der ÖBB-Vorstandsvorsitzende neben Gerhard Zeiler als Kandidat für die Topjobs, die die SPÖ aktuell zu vergeben hat, gehandelt.

Kann Kern Kanzler?

Aber kann Kern Kanzler? Nicht wenige würden das unbedingt mit Ja beantworten. Anders Doris Bures, die Nationalratspräsidentin hat Kern im Jahr 2014 knapp vor Weihnachten quasi Untauglichkeit für die Politik, genauer gesagt für Faymanns Jobs, attestiert. Denn schon damals fiel der Name Christian Kern immer wieder. Bures tat im Ö1-"Mittagsjournal" etwas maliziös kund, Kern wäre "nicht so ein guter Politiker" und "intelligent genug", das auch zu wissen.

Knapp eineinhalb Jahre später ist Faymann Geschichte und Kern ante portas. Es wäre eine Art Heimkehr in die Partei. Denn dort hat er nach einer kurzen Phase als Wirtschaftsjournalist seine ersten beruflichen Schritte absolviert. 1991 dockte er als Pressesprecher des damaligen Beamtenstaatssekretärs Peter Kostelka an, drei Jahre später ging er mit diesem in den SPÖ-Klub, schrieb daneben die Diplomarbeit in Kommunikationswissenschaften und wurde mit 22 erstmals Vater. Es wurden dann drei Söhne in der ersten Ehe und eine Tochter mit seiner Frau Eveline Steinberger-Kern, bis 2012 für das Energiegeschäft bei Siemens zuständig, jetzt selbstständige Unternehmensberaterin.

Leben als Revolutionär zu schwer

Aufgewachsen ist Kern im Wiener Arbeiterbezirk Simmering in einem "unpolitischen Elternhaus", der Vater Elektroinstallateur, die Mutter Sekretärin, mit 18 gründete er die Simmeringer Bezirkspartei der Alternativen Liste Wien, einer Grünen-Vorläuferin, weder der Berufswunsch Lehrer noch Revolutionär wurden realisiert, Ernüchterung durch Che Guevaras Tagebücher – Kern fand das "doch zu entbehrungsreich" und wechselte ins pragmatische Fach der Sozialdemokratie.

Als sich 1997 gegen Ende der Ära Vranitzky erste Abnützungserscheinungen zeigten, wechselte Kern "als siebenter Zwerg von links" zum Energieversorger Verbund. Zehn Jahre später war er dort im Vorstand angelangt, bis er 2010 zur ÖBB geholt wurde – von Bures. In beiden Bereichen sind gute Kontakte zur Politik lebensverlängernd. Über sich sagt Kern, dass ihm Stil wichtig sei und er "cholerische Anfälle zutiefst verachtet". Für positives Aufsehen sorgte sein Krisenmanagement, als er den Transport tausender Flüchtlinge unbürokratisch und professionell abwickelte.

Einkommenstechnisch würde der Manager, no na, als Kanzler verlieren: 2014 bekam der 295.393 Euro im Jahr, der ÖBB-Chef dürfte auf rund 700.000 Euro (inklusive Erfolgsprämie) gekommen sein.

Smart, akkurat, zackig – wie Kurz auch

Wenn von Männern vom Typus Kern die Rede ist – habituell in schmalen, exakt sitzenden Anzügen, akkurat frisiert, die Sprache zackig und ansonsten auch nicht angekränkelt von mangelndem Selbstbewusstsein –, fällt oft das Wort "smart" – das ÖVP-Synonym dafür ist Sebastian Kurz. Die beiden könnten die K.-u.-K.-Republik anführen, wie auch immer: Kern und Kurz oder Kurz und Kern.

Auf der Karriereplattform Whatchado meinte Kern übrigens zu seinem Abgang als Pressesprecher: "Aber nachdem man nicht ewig in der Politik bleiben sollte, meine ich jedenfalls, habe ich mir dann einen anderen Job gesucht."

Auch das nicht die schlechteste Herangehensweise an das Kanzleramt und den SPÖ-Vorsitz. (Lisa Nimmervoll, 10.5.2016)

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Gerhard Zeiler – Roter Weltbürger mit Ottakringer Wurzeln

Dass Gerhard Zeiler Herausforderungen scheut, kann man ihm nicht nachsagen. "Gerhard ist eher bereit, ins kalte Wasser zu springen", beschrieb ihn einmal sein Zwillingsbruder Helmut. Nach dem Faymann-Rücktritt könnte jetzt der Sprung an die SPÖ- und die Regierungsspitze gelingen. 2015 brachte er sich in Medien schon als "Kanzlerreserve" in Stellung. Wenn ihn die SPÖ fragen sollte, ob er Verantwortung übernehmen würde, dann wäre er bereit, sagte er damals dem "Kurier".

Den Job als Chef ist er gewohnt, seit 2012 ist er Präsident des Medienkonzerns Turner Broadcasting und führt von London aus 160 TV-Kanäle in 200 Ländern. Zuvor sorgte er beim deutschen Privatsender RTL und dann bei der RTL Group für Rekordgewinne. Führungsqualität müsste er auch innerhalb der SPÖ unter Beweis stellen. Diese Aufgabe wäre freilich keine leichte, es gilt, den Kurs klar vorzugeben und Basis und Funktionäre auf eine Linie zu bringen. Zeiler sei extrem mutig, habe hohes Durchsetzungsvermögen und könne vor allem Menschen motivieren, gemeinsam mit ihm an einem Strang zu ziehen, sagt einer, der ihn gut kennt. Fähigkeiten also, die die SPÖ derzeit gut brauchen könnte.

Zeiler, 1955 in Wien-Ottakring geboren, zog es schon früh in die Politik. Er studierte Psychologie, Soziologie und Pädagogik und heuerte beim SPÖ-Pressedienst an. 1979 wechselte er als Pressesprecher zum damaligen Unterrichtsminister und späteren Kanzler Fred Sinowatz, 1986 übernahm er diesen Job bei Franz Vranitzky.

1994 wurde er mithilfe der SPÖ Generaldirektor des ORF. Im Öffentlich-Rechtlichen fuhr er damals einen harten Quotenkurs, seine Reformen dort gefielen nicht allen. Zu sehr am Massenpublikum orientiert und zu boulevardesk seien seine Ideen, beschwerten sich Kritiker. Immerhin schaffte Zeiler mit dieser Linie einen ORF-Marktanteil von knapp 50 Prozent. Genervt von politischen Interventionen verabschiedete er sich 1998 aus Österreichs Medienlandschaft in Richtung Privat-TV. Dorthin, wo ihm die Politik nicht so massiv dreinredet. Ganz kalt lässt ihn der ORF aber weiterhin nicht. 2011 wollte er wieder für den ORF-Chefposten kandidieren. Nicht wenige Stiftungsräte wünschten sich den erfolgreichen Quotenmann zurück.

Faymann verhinderte Zeiler

Der Plan scheiterte, schuld daran war ausgerechnet Werner Faymann, der SP-Chef unterstützte dann doch Alexander Wrabetz. Zeiler sagte ab, weil es der Politik im ORF nur darum gehe, "wer willfährige parteipolitische Personalwünsche umsetzt". Zeiler war zu gefährlich. "Faymann wollte Zeiler nicht. Er hat Angst gehabt, er züchtet sich da einen Nachfolger", sagte die frühere ORF-Chefin Monika Lindner. Faymann fürchte "nicht nur den unabhängigen Generaldirektor, sondern auch den Bundeskanzler Zeiler. Auch den könnte Zeiler besser", kommentierte damals der mittlerweile verstorbene Ex-ORF-Chef Gerd Bacher Zeilers Rückzug.

Der SPÖ hat der Ottakringer vom Ausland aus immer die Treue gehalten, auch mit Spenden, sagen SPÖ-Funktionäre. Bei Wahlveranstaltungen war er immer wieder mit dabei, zuletzt unterstützte er den gescheiterten Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer.

2015 sprach sich Zeiler gegen SPÖ-Koalitionen mit der FPÖ aus. "Ich bin für Abgrenzen, aber nicht Ausgrenzen. Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, eine Koalition mit einer populistischen Partei zu machen, die Europa schwächen will", sagte er in einem Interview.

Sein Vertrag bei der Time-Warner-Tochter Turner Broadcasting wurde im Frühjahr 2015 um drei Jahre verlängert. Schon bei RTL verdiente er kolportierte zwei Millionen Euro. Bei Turner dürfte es noch mehr sein – kein Vergleich also mit dem Gehalt als Kanzler.

Zeiler wird immer wieder Heimweh nach Österreich nachgesagt. Neben seinem Arbeitssitz in England hat er ein Haus in Salzburg – das er vor allem an Wochenenden nutzt – und eine Wohnung in Wien. Zeiler wird im Juli 61, ist zum dritten Mal verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter und eines einjährigen Sohnes. (Astrid Ebenführer, 10.5.2016)