Mitten im Wahlkampf tritt der Bundeskanzler zurück. Welchem der Kandidaten das nützt und wem es schadet, weiß man nach der Wahl – wenn überhaupt.

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Das Malteserkreuz im Knopfloch.

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Wien – Werner Faymann tritt zurück, und Alexander Van der Bellen feiert in der Albertina-Passage. Die beiden Ereignisse hängen nicht unmittelbar zusammen – der Bundespräsidentschaftswahlkampf ist in den Hintergrund geraten, dabei sind es nicht einmal mehr zwei Wochen bis zur Stichwahl.

Hat der Rücktritt Folgen für die Wahl? Politikwissenschafter Peter Filzmaier bezweifelt, dass die roten Turbulenzen einem der beiden Kandidaten nützen könnten. Denn weder beim freiheitlichen Norbert Hofer noch beim grünen/unabhängigen Alexander Van der Bellen war im ersten Wahlgang die Vermittlung bei innenpolitischen Konflikten ein häufig genanntes Wahlmotiv. Außerdem sei der Zeitpunkt auch schon zu knapp vor dem Termin, um Auswirkungen auf das Wahlverhalten zu haben. Denn normalerweise sollen laut Filzmaier die letzten Akzente zehn bis vierzehn Tage vor der Wahl gesetzt werden, damit sie noch Eingang in die öffentliche Meinung finden, also noch ausreichend am Stammtisch diskutiert werden können.

"Ein zweischneidiges Schwert"

Anton Pelinka, Politikwissenschafter an der Uni Innsbruck, bezweifelt ebenfalls, dass Faymanns Rücktritt große Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahl haben wird. Allenfalls könnte das Ende der Spekulationen über Faymanns Verbleib als Bundeskanzler dafür sorgen, dass dem Wahlkampf wieder mehr Aufmerksamkeit zukommt – spätestens ab Anfang nächster Woche, wenn der nächste Bundeskanzler feststeht.

Die Kandidaten seien jetzt freilich in Versuchung geführt, das Chaos in der SPÖ-Regierungsmannschaft auszunutzen, sagt Pelinka. Vor allem FPÖ-Kandidat Hofer könnte nun zwar propagieren, dass es nun umso mehr einen "starken Präsidenten" brauche. "Das ist aber ein zweischneidiges Schwert", sagt Pelinka. Denn wer sich einen starken Präsidenten wünscht, wähle Hofer ohnehin. Und alle anderen könnte er damit verschrecken. Pelinka: "Das ist zu riskant für ihn."

Schwieriges Taktieren

Die Aussicht auf einen blauen Bundespräsidenten dürfte im Entscheidungsprozess der SPÖ eine Rolle gespielt haben, erklärt Pelinka. "Wahrscheinlicher ist ein klagloser Übergang von Werner Faymann zu Mister X unter Heinz Fischer", sagt Pelinka. Darauf könnte sich die SPÖ unter einem Präsidenten Hofer nicht verlassen.

Aus Faymanns Rücktritt nun taktisch Vorteile für die Präsidentschaftswahl herauszuschlagen dürfte jedenfalls alles andere als einfach sein. "Ich bin froh", sagt Politologe Pelinka, "dass von mir kein Kandidat erwartet, innerhalb von sechs Stunden eine Strategie zu liefern".

Freimaurer und Habsburger

Strategisch motiviert dürften auch Norbert Hofers Versuche sein, Alexander Van der Bellen in die Nähe der Freimaurer zu rücken – beim Duell auf Puls 4 am Sonntagabend hat er das mehrmals probiert. Tatsächlich war der ehemalige Bundessprecher der Grünen Mitglied in einer Loge des Bundes, wie Van der Bellen schon 2008 in einem Beitrag auf der Bürgerdialogplattform meinparlament.at bestätigte. "Ich wurde Mitte der 1970er-Jahre in die damals einzige Innsbrucker Loge aufgenommen und war dort etwa ein Jahr lang 'aktiv'", schrieb Van der Bellen damals. Später sei er "schließlich auf meinen expliziten Wunsch hin ausgeschieden". Die Bedeutung der Freimaurer werde aber ohnehin "häufig überschätzt".

Zuseher des Puls-4-Duells wunderten sich über das modifizierte Malteserkreuz, das Hofer im Knopfloch trug (siehe Bild). Recherche in Adelskreisen ergab: Es ist das Wappen des "Europäischen Sankt-Georg-Ordens. Der Orden des Hauses Habsburg-Lothringen", der sich selbst als "elitären Orden" bezeichnet. Hofer ist dort Mitglied, "Ordensmeister" laut Website ist "S.k.u.k.H. Erzherzog Dr. h.c. Karl von Habsburg-Lothringen".

Unterstützer

Der grüne Hofburganwärter stellte am Montag weitere Unterstützer vor. Van der Bellen feierte mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Ex-Raiffeisen-Boss Christian Konrad und Biopionier Werner Lampert. Auch Exvizekanzler Josef Pröll zeigte sich bei der Party – und erklärte seine Unterstützung für Van der Bellen. Die Vertretung Österreichs im Ausland sei bei ihm "deutlich besser aufgehoben als beim Gegenkandidaten", begründete der frühere ÖVP-Chef seine Unterstützung. (Marie-Theres Egyed, Sebastian Fellner, Hans Rauscher, 10.5.2016)