Berlin – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker droht der Türkei, notfalls auf die Visafreiheit für Türken in der EU zu verzichten. "Wir haben Bedingungen gestellt, was die Visafreiheit anbetrifft", sagte er am Donnerstag bei einem WDR-Europaforum in Berlin. Er setze darauf, dass sich die Türkei an diese Bedingungen halte und sie erfülle.

"Wir legen größten Wert darauf, dass die Bedingungen, die Voraussetzungen erfüllt sind, sonst (...) wird das nicht stattfinden", wurde Juncker zitiert. Wenn die Türken damit dann keine Reisefreiheit in der EU genössen, sei das nicht sein Problem, sondern das des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Erpressen lasse er sich nicht, so Juncker. Er bezog sich damit auf Drohungen der Türkei, notfalls wieder Flüchtlinge in die EU durchzulassen.

Gabriel lehnt Sonderregelungen ab

Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel lehnt Sonderregelungen für eine Visafreiheit ab. "Es kann keine Lex Türkei geben", sagte der SPD-Chef am Donnerstag. Wie jedes andere Land müsse die Türkei die Bedingungen für eine solche Visafreiheit erfüllen. Wenn Erdoğan das nicht könne oder wolle, könne es diese auch nicht geben. Es dürften zudem keine Versuche unternommen werden, Oppositionelle oder Journalisten zu Terroristen zu erklären. Auch die geplante Verfassungsänderung in der Türkei mache ihm große Sorgen, die sich wohl gegen die Kurdenpartei HDP richte. "Das sind Dinge, die finde ich hochproblematisch."

Steinmeier verteidigt Deal

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verteidigte dagegen das Flüchtlingsabkommen. "Ich weiß wohl, dass diese Vereinbarung auch kritisch gesehen werden kann", sagte Steinmeier auf dem WDR-Europaforum. Sie sei aber "nicht nur verantwortbar, sondern auch notwendig gewesen". Trotz der Lage in der Türkei mit der Beschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit "können wir gleichzeitig nicht ignorieren, dass die Türkei gleichwohl ein Schlüsselland für Migration Richtung Europa ist, und brauchen deshalb solche Abkommen", sagte Steinmeier. Der Außenminister betonte jedoch auch: "Wir dürfen nicht naiv sein und glauben, dass mit dem Abkommen das Flüchtlingsproblem beseitigt wird."

Die EU hat im Zuge des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei 72 Bedingungen genannt, damit im Gegenzug die Visafreiheit gewährt werden kann. Laut EU sind einige weiterhin nicht erfüllt. Die türkische Regierung hingegen sieht das anders: Sein Land habe alle 72 von der EU geforderten Bedingungen dafür erfüllt, sagte der türkische EU-Minister Volkan Bozkır am Donnerstag in Straßburg. Eine ungerechtfertigte Verschiebung der Visaliberalisierung sei für die Türkei inakzeptabel. (APA, 12.5.2016)