Wien – Der Tod, heißt es, sei nicht das Ende. Ob das im Jenseits gilt, weiß niemand, im Diesseits lässt sich diese These anhand des frühzeitigen Todes des Popstars Prince gerade verfolgen. Ein kolportiertes Erbe von 300 Millionen Dollar ohne testamentarische Verfügung ruft verschiedenste Ambitionen hervor. Der 39-jährige Carlin Q. Williams behauptet, der Sohn des am 21. April verstorbenen Prince Rogers Nelson zu sein. Williams sitzt gerade wegen Autodiebstahls und illegalen Waffenbesitzes in einem Knast in Colorado ein und begehrt einen DNA-Test. Prince soll 1976 seiner Mutter beigewohnt haben. Auch eine bis vor seinem Tod der Familie nicht bekannte Halbschwester des Stars ist aufgetaucht. So ein Erbe lässt Anwälte frohlocken.

Das weltliche Erbe von Prince bleibt umstritten, das künstlerische wurde gerade mit der physischen Veröffentlichung seines letzten Albums erweitert: "Hit n Run Phase Two".
Foto: NPG Records

Zudem liegt noch kein abschließender Obduktionsbericht vor, der die Todesursache des 57-jährig verstorbenen Stars erklären würde. Bislang gibt es nur Gerüchte, die von einer übergangenen Grippe über Medikamenten- bis zur Drogenabhängigkeit alles anbieten. Ebenso abenteuerlich gestalten sich Spekulationen über sein künstlerisches Vermächtnis. Prince soll in seinem Archiv tausende unveröffentlichte Songs und Aufnahmen liegen haben, die verwertbar wären.

Im Netz wird sein Erbe zurzeit vollends ausgeschlachtet. Prince-Tonträger erleben seit seinem Tod eine Hausse in den Onlineauktionshäusern. Eine Picture-Disc aus den 1980ern um 5.000 Dollar? Auf Ebay gesehen. Sogar millionenfach gepresste Alben werden um Preise angeboten, die noch im Jenseits als jenseitig betrachtet werden müssten.

In dieser Hysterie des Finalen ist relativ unbemerkt Prince' letztes Album erschienen. Als Tonträger. Als Download-Möglichkeit wurde "Hit n Run Phase Two" bereits Mitte Dezember bereitgestellt. Es ist sein 39. Studioalbum. Wie viele posthum noch dazukommen werden, weiß niemand.

Streicher und Jazz

"Hit n Run Phase Two" ist ein leichtes Erbe. Kein Meisterwerk, dennoch lässt sich Prince noch einmal in vielen Facetten seines ausufernden Könnens erleben. Die Eröffnungsnummer "Baltimore" ist ein eloquenter Popsong. Trotz des traurigen Anlasses, aus dem er verfasst wurde – der Afroamerikaner Freddie Gray überlebte seinen Polizeigewahrsam nicht -, ist es ein erhebender, positiver Song.

Prince richtet "Baltimore" mit Streichern und niedrig dosierten Jazzelementen an und plädiert für Frieden in der Gesellschaft. Als Transporter dient ihm naturgemäß der Funk, der Prince in seiner DNA eingeschrieben war. Das Album ruft in trennungsschmerzliche Erinnerung, dass Prince nie wie jemand anderer geklungen hat, immer ein originärer Künstler war und alle Gegenüberstellungen mit seinem Konkurrenten Michael Jackson eigentlich vermessen waren. Jackson mag ein begnadeter Sänger, Tänzer und Entertainer gewesen sein, mit der kreativen Potenz des Prinzen konnte er sich nicht messen.

Wenn Prince dann im Lied "Stare" jemanden zitiert, ist er es konsequenterweise selbst, der uns mit einem Riff aus seinem Hit "Kiss" zuzwinkert. So viel Eigenliebe darf sein.

Tora Tora

Seine künstlerische Macht kanalisiert Prince hier meist in Mid- und Uptempo-Songs, die gut im Saft stehen. Gut, "Screwdriver" rockt vielleicht eine Spur zu viel. Lieder wie "Black Muse" erinnern in ihrer Lockerheit und ihrem sprunghaften Rhythmus an den 1980er-Jahre-Hit "Pop Life". Nur souliger und mit der Gelassenheit eines Mittfünfzigers übermittelt, der zur Überzeugung nicht mehr die Exaltiertheit von früher bemühte. Diese selbstbewusste Lockerheit dominiert das Album. Prince musste niemanden mehr von sich überzeugen. Es geht um Konsolidierung auf Prince-Niveau, und da bleibt er den Fans nichts schuldig. (Karl Fluch, 12.5.2016)