Android N mit Mehrfensterunterstützung.

Bislang ist die Welt der Betriebssysteme in zwei klar getrennte Lager aufgeteilt. Während am Desktop Windows dominiert, hat bei mobilen Geräten Android diese Rolle inne. Zwar hat Google immer wieder durchblicken lassen, dass man am Desktop ebenfalls Interesse hegt, das eigentlich dafür vorgesehene Chrome OS ist aber nur in einzelnen Nischenbereichen erfolgreich. Bei der breiten Masse spielt es hingegen bisher keine Rolle. Aktuell entwickelt Google aber gleich an mehreren Neuerungen, die nur einen Schluss zulassen: Das Unternehmen will einen neuen Anlauf zum Brechen der Windows-Dominanz nehmen.

Android trifft Chrome OS

Ein erstes Puzzlestück war erst vor kurzem durchgesickert: Google will seinen Play Store in Zukunft auch unter Chrome OS anbieten. Damit sollen künftig Millionen Android-Apps auch am Desktop zur Verfügung stehen. Ein Schritt, der die Attraktivität von Chrome OS, das bislang weitgehend auf die Web-Nutzung beschränkt ist, signifikant erhöhen könnte.

Soll schon bald Realität werden: Der Google Play Store unter Chrome OS.
Screenshot: Google

Grundlagen

Basis dafür bildet die sogenannte App Runtime for Chrome (ARC), die schon seit rund zwei Jahren in Entwicklung ist, und die das Ausführen von Android-Anwendungen ermöglicht. Wer genau aufpasst, wird bemerken, dass im Namen nicht bloß von Chrome OS sondern vom Browser Chrome als Ganzes die Rede ist – und das zurecht. Dank ARC könnte Google nämlich seinen Play Store – und damit Android-Apps im Allgemeinen – sogar auf klassische Desktopsysteme wie Windows, Linux und OS X bringen.

Nur eine Frage der Strategie

Ob Google diesen zweiten Schritt tatsächlich vornimmt, wird wohl vor allem von strategischen Überlegungen entschieden werden. Technisch gesehen gibt es jedenfalls keinerlei Gründe für eine Beschränkung auf Chrome OS. Zumindest fürs Erste deutet allerdings alles darauf hin, dass der Play Store zunächst nur unter Googles eigenem Desktop-System zur Verfügung stehen wird. Eine entsprechende Ankündigung wird für die in wenigen Tagen stattfindende Google I/O erwartet.

Android N

Eine zweite Spur findet sich in den Vorschauversionen für das kommende Android N. Unter dem Namen "Freeform Windows Mode" führt Google dort nämlich nichts anderes als einen Desktop-Modus ein. Eigentlich ist dieser nur für nicht näher spezifizierte "größere" Geräte gedacht, mit einigen Tricks lässt er sich aber auch jetzt schon auf einem Tablet oder Smartphone aktivieren.

Der Freeform Windows Mode in Android N bereitet den Weg für die Desktop-Nutzung.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Ausprobieren

In einem kurzen Test zeigt sich zwar rasch, dass all dies noch nicht ganz fertig ist, die Kernfunktionalität ist aber bereits vorhanden. So können, wie von anderen Desktops her gewohnt, mehrere Fenster überlappend positioniert werden, deren Größe lässt sich – auch mit der Maus – frei verändern, Schließ- und Maximier-Knöpfe sind ebenfalls bereits vorhanden. Selbst eine Exposé-ähnliche Task-Übersicht wird geboten.

Selbst eine Desktop-ähnliche Taskübersicht gibt es bereits.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Remix OS

Ein vollständiger Desktop ist all dies derzeit allerdings noch nicht, so fehlen etwa ein Panel und vor allem echtes Multitasking. Wohin die Reise gehen könnte, zeigt Remix OS. Das alternative Android vom chinesischen Hersteller Jide bietet bereits einen kompletten Android-Desktop mit all den von anderen Betriebssystemen gewohnten Elementen.

Hersteller Jide zeigt mit Remix OS, dass ein Desktop-Android nicht mehr so fern ist.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Herausforderung für Entwickler

Ob Google selbst einen Desktop auf Android-Basis anbieten will, oder es sich sich hier "nur" um Vorbereitungsarbeiten für die bessere Android-Unterstützung unter Chrome OS handelt, lässt sich derzeit natürlich nur schwer sagen. Für App-Entwickler ist die Konsequenz aber ohnehin die selbe: Sie müssen sich auf neue Herausforderungen einstellen. Immerhin gilt es künftig zu beachten, dass die eigenen Programme künftig nicht nur mit Maus und Tastatur sondern auch im Mehrfenstermodus ordentlich funktionieren.

Layout

Um die Anpassung des Layouts beim Vergrößern und Verkleinern kümmert sich dabei Android selbst – zumindest wenn sich die Entwickler an die Design-Empfehlungen von Google halten, die einen fließenden Wechsel zwischen Smartphone- und Tablet-Darstellung vorsehen. Entsprechende Tipps liefert Google in einem aktuellen Blogeintrag, der den Entwicklern zudem nahelegt, Mehrfensterunterstützung künftig von Anfang an mitzudenken.

Gut für alle

Wer sich bisher schon um Unterstützung von Tablets gekümmert hat, für den sollte sich der Aufwand für eine Desktop-Optimierung jedenfalls in Grenzen halten. Und für alle anderen könnte die aktuelle Entwicklung einen neuen Anreiz darstellen, um sich generell mal vernünftig um den Support größerer Displays zu kümmern – wovon dann sowohl Desktop als auch Tablets profitieren. (Andreas Proschofsky, 16.5.2016)