Erzählt in ihrem neuen Roman eine Liebesgeschichte der etwas anderen Art: Bettina Balàka.


Foto: Heribert Corn

Bettina Balàka, "Die Prinzessin von Arborio". € 19,90 / 264 Seiten. Haymon-Verlag, Innsbruck 2016

cover: haymon

Erst eins. Dann zwei. Dann drei. Im Finale schließlich ist man wieder bei der Trennung von eins zu eins.

Drei tote Männer hinterlässt Elisabetta Zorzi auf ihrem Lebensweg. Die so souverän wie charmant auftretende Betreiberin der Cantinetta Zorzi zu Wien verübt drei Morde jeweils fern ihrer Wohnung. Der erste Mann, risikoaffin und selbstverliebt, wird beim Wandern in den Bergen in die Tiefe gestoßen (was dann als Unfall deklariert wird), der zweite in der Adria mittels Bleigewichten versenkt (er sei nach einem Trennungsstreit an Land gegangen). Dem dritten wird Gift in die Gatorade-Flasche gespritzt, die er habituell zum Mountainbiken im Wienerwald mitnimmt, wodurch der durchtrainierte Personal Trainer aus Australien einen tödlichen Herzinfarkt erleidet.

Das Männermorden der klein gewachsenen, attraktiven italienischstämmigen Ristoratrice, deren Restaurant vor allem für die einfallsreichen Risotti mit Arborioreis bekannt ist, wird von der gebürtigen Salzburgerin Bettina Balàka, die ja schon eine Vielzahl untereinander abwechslungsreicher Bücher veröffentlicht hat – von einem Roman aus Hundeperspektive (Unter Menschen, 2014) über eine Tragikomödie um Kunst und Leben in Venedig (Kassiopeia, 2012) bis zu den Erzählungen in Auf offenem Meer über Ethos, Wahrheit und Lüge oder den um Verschweigen und Verstellung kreisenden Krankengeschichten (1996) -, mit durchaus spitzer Feder beschrieben.

Doch ab der Hälfte wird das Tempo zurückgefahren. Ab Seite 154 sitzt Zorzi in einem Frauengefängnis ein, das einst ein Schloss mit Namen Weißenach der Fürsten von Lodomeritz war. Denn überführt hat die gekonnt Manipulierende nicht nur die bald erdrückende Lage an Indizien – so findet sich der Leichnam im Mittelmeer und kann ebenso identifiziert werden, wie auf dem Deck des Bootes sich noch Blutspuren finden -, sondern auch ihr Vergnügen am Erzählen.

Im Häfn beginnt sie dann eine Affäre mit dem reichlich tätowierten Profiler Arnold Körber, der an ihrer Verurteilung mitgewirkt hat. Für ihn, durchaus bei Frauen gefragt, wird es bald mehr als nur eine Romanze. Bei einem Arztbesuch entkommt sie ihren Aufseherinnen. Die Spur führt nach Berlin, zu einem jungen Eigentümer eines Steampunk-Ladens, dessen Freundin abgängig ist. Welche sich als Elisabetta Zorzi entpuppt. Doch nicht mehr zu finden ist.

Ein mit hinterhältig-kühler Raffinesse komponierter Kriminalroman ist dies ebenso wenig, wie es einst ihr Roman Eisflüstern aus dem Jahr 2006 war. Hat sie damals für die historische, im Wien der Zwischenkriegszeit angesiedelte Prosa um Balthasar Beck, vormals Kriminalinspektor, die Idee von einem TV-Drehbuchautor gespendet bekommen, so ist Elisabetta Zorzi der realen Causa einer österreichischen Mörderin nachempfunden, die vor einigen Jahren vor allem die ersten Seiten der Boulevardzeitungen für sich in Beschlag nahm.

Es ist ein schnelles Buch. Ein flüssig geschriebenes. Und ein arglos schnell zu lesendes. Weil es so wenige Probleme bei der Lektüre bereitet. Das eigentliche Problem aber sind die Protagonisten, denen bei der Lektüre nie so recht und vor allem, und noch gewichtiger, kaum jemals wirklich überzeugend nahegekommen wird.

Die psychologische Zeichnung, so sehr sich Bettina Balàka auch Mühe gibt, ist eine eher skizzenhafte, auf irritierend zeitgemäße Weise zeitgemäß oberflächliche. Die Dialoge muten immer wieder wie nachgesprochen an, auch wenn sie im raschen Hin-und-her-Pingpong angelegt sind und eingeschoben werden. Der Tonfall, der von Anbeginn an angeschlagen wird, ist ein flotter, manchmal ein allzu flotter, da ins Alltagsplappern abrutschend. Dafür wird dieser Duktus, der so konsequent an gepresste Fröhlichkeit gemahnt, bis zum Ende durchgehalten.

Es werden einige freche Sager in die Beschreibungen hineingeschmuggelt. Dabei stellt sich vor allem in der zweiten Hälfte dann die Frage, und zwar die immer drängendere, weshalb gar nicht so wenige beschreibende Passagen zu lesen sind, die weder für sich stehen noch von irgendwelchem weiterem Belang für die Dramaturgie und für den Fortgang der Geschichte sind. Auch so viele andere Details, mit denen zumeist bedeutungslose Nebenfiguren ausgeschmückt werden, erscheinen reichlich überflüssig, um nicht zu sagen: umfangtreibend.

Was ist dieses Buch also? Will es eine Kriminalgroteske sein? Dafür fehlen das Skurrile und das Abgründige. Also nein. Ist es eine Comedy of Terrors, die bekannten Details einer realen, ausführlich dokumentierten Causa einer schwarzen Witwe aus Österreich ausspinnend? Oder erhebt es den Anspruch, etwas Drittes, etwas anderes zu sein, nämlich eine sanfte amouröse Burleske über die Leerstellen des Gefühls, über die blinden Flecke der Psychologie?

Dieser Roman lässt ratlos zurück. Wieso er geschrieben wurde, weshalb er geschrieben werden musste, liegt wohl im selben Dunkel, in dem am Ende Elisabetta Zorzi spurlos verschwindet. (Alexander Kluy, Album, 14.5.2016)