
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Ejakulation und sicherer Sex im Erwachsenenalter vorteilhafte Strategien gegen Prostatakrebs sein könnten.
Ein Prostatakarzinom ist bei Männern in westlichen Industrienationen die häufigste Krebserkrankung. Für das Jahr 2012 meldet die Statistik Austria 4.532 Neuerkrankungen, immerhin seit 2000 eine rückläufige Zahl. Die Ausbildung von Tumoren hängt dabei von diversen Einflussfaktoren ab – neben genetischen und Umweltfaktoren wirkt sich etwa auch das Geschlechtshormon Testosteron auf die Genaktivität der Zellen aus. Jennifer Rider und Kathryn Wilson von der Harvard School of Public Health haben mit ihrem Forschungsteam einen weiteren möglichen Parameter untersucht: die Ejakulationshäufigkeit.
Wie sie in der Fachzeitschrift "European Urology" schreiben, erkrankten in ihrer Stichprobe von etwa 32.000 US-amerikanischen Männern jene Teilnehmer, die laut eigenen Angaben mindestens 21-mal im Monat einen Samenerguss hatten, am seltensten an Prostatakrebs. Verglichen mit Männern, die selten ejakulierten – nicht öfter als siebenmal pro Monat –, war ihre Krankheitswahrscheinlichkeit 19 bis 22 Prozent niedriger. Um zu verhindern, dass die Testpersonen sich auf vergangene Jahrzehnte zurückblickend in der Ejakulationshäufigkeit verschätzten, wurden sie einmal zu Beginn der Studie im Jahr 1992, als sie zwischen 20 und 29 Jahren alt waren, nach der durchschnittlichen monatlichen Anzahl gefragt. Zwanzig Jahre später wurde der aktuelle Wert erhoben sowie die Krankheitsgeschichte im Hinblick auf die Prostata. Fast 4000 Männer erhielten in dieser Zeit die Diagnose Prostatakrebs, die, abhängig vom Krebstypus, meist eine hohe Überlebensrate hat.
"Unsere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Ejakulation und sicherer Sex im Erwachsenenalter vorteilhafte Strategien sein könnten, um das Risiko von Prostatakrebs zu verringern", sagt Reiter, die mittlerweile an der Boston University arbeitet. 2813 Studienteilnehmer gaben zwischen 20 und 29 Jahren mehr als 20 Samenergüsse pro Monat an. Von ihnen erkrankten die wenigsten Männer – 10,3 Prozent – an Prostatakrebs. Bei der Mehrheit der Probanden, die durchschnittlich acht- bis zwölfmal ejakulierte, lag der Wert bereits bei 12,5 Prozent, bei vier bis sieben Samenergüssen waren es 13,3 Prozent. Ein Unterschied zwischen Sex und Masturbation wurde dabei nicht gemacht.
Wenig repräsentative Stichprobe
Die am häufigsten Ejakulierenden erkrankten erstens seltener und zweitens eher an weniger riskanten Krebsformen, stellten die Studienautoren fest. "Diese beobachteten Assoziationen müssen jedoch durch Studien belegt werden, die die möglichen biologischen Mechanismen dahinter evaluieren", sagt Reiter. Zudem bestand die Stichprobe vor allem aus weißen Männern, und es sei möglich, dass die Ergebnisse einer gemischten Population anders aussähen. Immerhin ist das Risiko für Prostatakrebs unter Afroamerikanern 70 Prozent aus bisher unbekannten Gründen höher als bei nicht-hispanischen Weißen, wie es die Patienteninformation der American Society of Clinical Oncology mitteilt.
Darüber hinaus stellten die Forscher einige teils unerwartete Zusammenhänge fest. Je höher etwa die körperliche Aktivität, aber auch Merkmale wie die Anzahl der Geschlechtskrankheiten, Alkoholkonsum und Body Mass Index waren, desto höher die Ejakulationshäufigkeit zwischen 40 und 49 Jahren. "Sexuelle Aktivität kann auch negative Folgen für die Gesundheit haben, etwa durch sexuell übertragbare Infektionen", sagt Siobhan Sutcliffe, Krebsforscherin an der Washington University School of Medicine in St. Louis, die nicht an der Studie beteiligt war. Es sei noch zu früh, den Vorteil von Sex als Mittel zur Krebsprävention einzuschätzen.
Ähnlich sieht das John Gore von der University of Washington in Seattle. Häufiger Samenerguss resultiere wahrscheinlich aus anderen Faktoren, die zu guter Gesundheit beitragen, wie beispielsweise gesunde Ernährung, die auch das Risiko von Krebs senken könnte. "Wenn eine niedrige Ejakulationshäufigkeit einen Mann nun aber dazu bringt, einen Arzt aufzusuchen, mit dem besprochen wird, ob man vorbeugende Maßnahmen in Bezug auf Prostatakrebs ergreifen sollte, wäre das eine erfolgreiche Anwendung dieser Studienergebnisse." (sica, 15.5.2016)