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Flugverspätungen sind ärgerlich, ab drei Stunden Verzögerung steht Passagieren in Europa allerdings eine Entschädigung zu.

Sechs Stunden lang wartete Eve Büchner in Sardinien auf den Abflug. Wegen eines Flugausfalls war eine Verspätung zwar bekanntgegeben worden, doch über die gesamte Zeit gab es kaum Informationen Seitens der Airline an die zunehmends unruhiger werdenden Passagiere. Ein unangenehmer Abschluss eines Urlaubs, zumal sich auch der Weg zur Entschädigung kompliziert gestaltete.

Ein Erlebnis, das Eve Büchner dazu bewegte, ein Start-up ins Leben zu rufen. Refund.me heißt die Firma, die es Leidtragenden von Flugverkehrs-Problemen erleichtern soll, die ihnen zustehende Kompensation abzuholen.

Anspruch ab drei Stunden

Festgelegt wird diese über die EU-Verordnung zu Fluggastrechten. Ist man innerhalb der EU unterwegs oder fliegt mit einer europäischen Airline oder aus Island, Norwegen und der Schweiz in die Union, hat man ab einer Verspätung von drei Stunden oder bei einer Annullierung grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung. Diese beträgt – je nach Distanz – 250 bis 600 Euro und kann drei Jahre rückwirkend eingefordert werden. Auch bei verweigertem Boarding – etwa bei Überbuchung – muss Kompensation erfolgen.

Dabei gibt es freilich Details zu beachten. Verzögerungen wegen "außergewöhnlicher Umstände" wie sehr schlechtem Wetter sind eben sowenig entschädigungspflichtig wie Annullierungen, die mindestens zwei Wochen vor dem Flugdatum bekannt gegeben wurden. Genaue Informationen liefert die Website der Europäischen Union.

Keine Gebühren

Ob der eigene Problemfall einen Anspruch auf Erstattung ermöglicht, lässt sich über die Seite von Refund.me durch die Beantwortung von wenigen Fragen klären. Steht dem Kunden eine Entschädigung zu, übernimmt die Firma mithilfe eines Anwaltsnetzwerks die Reklamation und etwaige Verfahren kostenlos.

Kommt es schließlich zu einer Auszahlung, behält Refund.me 25 Prozent des Betrags ein. Scheitert man mit den Ansprüchen, trägt das Unternehmen die angefallenen Kosten. Man verweist auf eine Erfolgsquote von 98 Prozent. Im Schnitt fließen pro Fall etwa 400 Euro von der Airline an den Passagier, täglich trudeln etwa 200 Fälle ein – Tendenz steigend.

Probleme mit Billigfliegern

Das Verhältnis zu den Fluglinien ist gespalten. Einige kooperieren sehr gerne mit ihrem Start-up, erklärt Eve Büchner gegenüber dem WebStandard, da dieses eine Art Filterfunktion übernimmt. Übermittelte Kompensationsforderungen sind aufgrund der Vorprüfung "qualifiziert", entsprechen also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den von der Verordnung gebotenen Bedingungen.

Billigflieger wie Easyjet oder Ryanair hingegen verursachen nicht nur häufiger Beschwerdefälle als "eingesessene" Luftlinien wie etwa die Lufthansa, sondern hinken auch beim Kompensationsmanagement nach. Mit ihnen muss Refund.me deutlich öfter um Entschädigungen streiten. "Langfristig tun sich die Airlines damit keinen Gefallen", meint Büchner. "Die Kunden werden ihnen das übelnehmen."

Zusätzlich greifen sie mitunter auch zu perfiden Methoden, um Mehraufwand zu verursachen, schildert Büchner. Obwohl man im Namen und mit Vollmacht des Passagiers handle, würden Entschädigungen etwa direkt an diesen überwiesen, sodass man diesem um den eigenen Anteil nachlaufen müsse. Easyjet wiederum hat mittlerweile eine Firma in der Schweiz gegründet, die auf dem Rechtsweg schwerer greifbar ist.

Server in Europa

Der durch die Fluggastverordnung entstandene Markt wird auf beachtliche Größe geschätzt. Das Volumen wird mit 5,5 Milliarden Euro beziffert, derzeit sind jährlich etwa elf Millionen Passagiere betroffen. Der Service von Refund.me wird gut angenommen, Perspektiven hat man sich auch im B2B-Bereich erschlossen, wo man den Dienst an Travel Manager vermarktet.

Bei der IT-Infrastruktur setzt man auf Europa. Die Seite läuft auf in der EU beheimateten Servern in der Amazon-Cloud. Das B2B-Portal wird in Deutschland gehostet. Die Verarbeitung auf juristischem Wege wird über RA-Micro abgewickelt, dessen Server ebenfalls in Deutschland stehen.

Expansionspläne

Das Start-up plant mittlerweile neue Angebote und eine Expansion. Künftig will man auch Entschädigungen für Verspätungen unter drei Stunden ermöglichen, was allerdings Kooperation Seitens der Fluglinien erfordert.

Außerdem soll das eigene Angebot im Sommer auch in Indien starten. Denn auch dort gibt es nunmehr eine gesetzliche Regelung für Fluggastrechte, an der sich der Dienst anlehnen kann. General Manager der neuen Filiale soll eine Frau werden, eine Seltenheit in dem patriarchal geprägten Milliardenstaat. (Georg Pichler, 22.05.2016)