Mütter reden. Dauernd. So weit das Vorurteil. Die evolutionär orientierte Erklärung dazu lautet: Das ist so, weil wir Frauen in der ursteinzeitlichen Ursteinzeit gemeinsam gezwungenermaßen in der Höhle bleiben mussten, während sich die Männer bei der Jagd abmühten. Entscheidendes Erfolgskriterium für Letztere stellt bekanntermaßen permanentes Schweigen dar. Darum also reden Frauen dauernd. Und Männer reden nie. Sehr vereinfacht gesprochen. Zu sehr vereinfacht.

Dennoch: Heute scheinen sich viele Mütter permanent in Gruppen zu organisieren und auszutauschen. Vor allem seit Whatsapp und Facebook das einfacher machen als je zuvor. Diese Mütter organisieren Kinderschwimmkurse, diskutieren die richtige Schulwahl am Kinderspielplatz, vernetzen sich in Eltern-Kind-Cafés und Beckenbodentrainingskursen und tauschen sich über die neuesten Babybeikost-Trends aus – kurzum: Mütter sammeln, debattieren, diskreditieren, motivieren ständig irgendwas, irgendwie über irgendwen mit irgendwem anderen.

Väter tun das oft nicht. Um das festzustellen, bedarf es meist keiner tiefgreifenden Analyse, sondern lediglich eines Blickes auf das Chatprotokoll.

Bloße Ersatzhandlung oder tieferer Sinn

Man kann diesen Müttern vorhalten, dass dieser permanente Austausch während der Karenzzeit nur eine Ersatzhandlung für das Berufsleben ist, das danach wieder wartet. Man kann kritisieren, dass diese Handlungen doch nur Ausdruck von Unterforderung sind. Tatsächlich darf man manche Aktivitäten wie gemeinsame Nährunden wohl wirklich keiner strengen Kosten-Nutzen-Rechnung im betriebswirtschaftlichen Sinn unterziehen.

Warum aber ist dieser Austausch, dieses Organisieren, dieses Reden für so viele Mütter so wichtig? Warum teilen sie jeden einzelnen Augenblick ihres Mutterdaseins geradezu zwanghaft mit anderen – hauptsächlich mit anderen Müttern? Es erscheint mir als Erklärung zu einfach, dass wir Mütter das nur aus Langeweile tun oder weil wir von anderen hören wollen, dass es bei ihnen zu Hause eh auch gleich furchtbar – obwohl doch eigentlich so wunderschön – ist.

Sehnsucht nach Nähe

Vielleicht spüren wir in diesen Gruppen wieder etwas von der Nähe und Geborgenheit und Sicherheit, die wir in Zeiten kleiner werdender Familien und fehlender Nachbarschaftspflege vermissen. Vermutlich haben wir die Nase voll von einer Wegwerfgesellschaft, die uns auf Kosten dieses Mittelpunkts unseres Lebens, unserer Kinder nämlich, permanente Verfügbarkeit von allem und jedem vorgaukelt. Auf Kosten übrigens auch von anderen Kindern, in China, Bangladesch oder Indien. Darum vielleicht tauschen wir Kleider, borgen Spielsachen und wägen den Kauf der dritten Rassel ab. Darum vielleicht kaufen wir für das Kindergartenfest nicht lauter kleine Schokomäuse, deren Kakaobohnen ein Kind an der Elfenbeinküste für unsere Kinder gepflückt hat.

Gemeinsam etwas zu organisieren, auf die Beine zu stellen und uns auszutauschen lehrt uns, unsere Kinder und unsere Umgebung aber vor allem zwei Dinge: Solidarität und Empathie. Und welche Werte könnte unsere heutige Gesellschaft notwendiger brauchen? (Sanna Weisz, 15.5.2016)