Lange Zeit galt Bruno Kreisky als der Bundeskanzler, der am besten mit den Medien konnte. Aber erst seit Werner Faymann nicht mehr ist, wissen wir, wer wirklich auf dem Medienklavier brillierte. Dass dieses Instrument nur drei Tasten hatte, die sonore "Krone", das hohe "Heute" und das schrille "Österreich" tat der Virtuosität, mit der es bespielt wurde, keinen Abbruch, kam es dabei doch, egal, welche Etüde zu absolvieren war, weniger auf den Fingersatz an, umso brillanter hingegen zeigte der Einsatz von Steuermitteln seine Wirkung. Und das auch noch im Nachklang, als der Virtuose das Stockerl schon fluchtartig verlassen hatte, was in der "Krone" als Starker Abgang bewertet und vom Kritiker des "Österreich" so präzisiert wurde: Der starke Abgang überraschte alle. Was ausblieb, war der Ruf nach einem Encore oder gar nach einem Dacapo, was angesichts der Einspielergebnisse überraschender war als der Abgang stark.
Auch nach dem Adieu wusste der Pianist, was er "Österreich" schuldig war. Eine Stunde nach seinem Rücktritt wählte Werner Faymann die Telefonnummer von "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner, der gerade in Los Angeles ist. Es war halb fünf Uhr früh in L. A., als Faymann dieses Interview zu seinem Rücktritt gab.
Es dürfte diesmal nicht erfunden gewesen sein, fanden sich ähnlich klingende Akkorde doch auch in der "Kronen Zeitung", die die eindrucksvolle Abschiedsrede des Bundeskanzlers im Wortlaut und in der Aufmachung eines Nachrufs auf sich selbst wiedergab. Was aber nicht halb so berührend war wie die Romanze, zu der das Familienmitglied Claus Pándi ausholte. Die Entscheidung zu seinem Rücktritt reifte am Lido in Venedig, seit Jahrzehnten ein Lieblingsplatz von Werner Faymann. Der nunmehr ehemalige Bundeskanzler war zu Christi Himmelfahrt bei Freunden zu Besuch in der Lagunenstadt – praktisch vorweggenommener Tod in Venedig.
Seine Stimmung war bei der Ankunft in Venedig eine sehr nachdenkliche. Siebeneinhalb Jahre als Regierungschef hatten Kraft gekostet. Der harmoniebedürftige Techniker der Macht sah sich am Ende eines politischen Kapitels angelangt. Da erwies sich die Gewissheit, Pándi werde über seine Stimmung bei der Ankunft in Venedig berichten, als heilsam auch für die Abreise. Bei der Abreise aus Venedig war Werner Faymann gelöst. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Faymann hatte damit alle überrascht, die ihm vor den Kulissen ewige Freundschaft schworen, aber hinter den Kulissen schon längst die Messer wetzten, gewiss aber auch alle, die vor den Kulissen längst die Messer wetzten, und hinter den Kulissen ihm noch ewige Freundschaft schworen.
In seinem Elaborat wusste Pándi aber doch auch einen sanften Tadel am Abgetretenen mit einer Spielanleitung an seinen Nachfolger zu verbinden. Beim Flüchtlingsproblem wollte Faymann den flotten Marsch zur FPÖ nicht mehr mitgehen. Jetzt muss ein neuer Mann oder eine neue Frau das Unmögliche möglich machen.
Im "Falter" konnte Armin Thurnher eine leichte Kränkung nicht unterdrücken. Unter dem Titel seines Nachrufs Kanzler des kleinen Formats rief er dessen ganzes Stilgefühl in Erinnerung. "Schon eine Stunde nach seinem Rücktritt, bevor er noch mit seinen Ministern und seiner Partei gesprochen hatte, wählte Werner Faymann die Telefonnummer von "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner, der gerade in Los Angeles ist", um sein erstes Abschiedsinterview zu geben, berichtete 0e24, die Webseite der Zeitung Österreich. So nicht angerufen zu werden ist traurig, und Pándi weiß es vorher! Doch die Rüge kam zu spät: Werner Faymann versuchte, mit dem Boulevard zu regieren. Hätte er ihn nur ausgegrenzt! Zu spät.
"Der österreichische Journalist" konfrontierte in einer Coverstory akribisch Was die "Krone" schreibt mit dem Was Kanzler Faymann denkt und tut, und kam zu der Moral: Es wäre für jeden Kanzler klüger, ein eigenes Programm mit breiter Akzeptanz zu erarbeiten, als es mit Verspätung aus der größten Tageszeitung des Landes abzuschreiben.
Gegen diese Zumutung setzte sich die Grötaz Donnerstag zur Wehr. Unter dem Titel Kanzler und die "Krone" warnte wiederum Pándi Faymanns Nachfolger: Kanzler kommen und gehen. Aber die "Krone" bleibt. Auch der als Favorit für den Posten des nächsten Regierungschefs gehandelte ÖBB-Chef Christian Kern schätzt ganz offensichtlich die seit Jahrzehnten mit Abstand größte Zeitung des Landes. Botschaft verstanden? Dann zahlen! (Günter Traxler, 14.5.2016)