Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen will ein "Pol der Ruhe" sein.

Foto: apa/Hochmuth

Wien – Eine Woche vor der Stichwahl gingen prominente Vertreter des bürgerlichen Lagers mit dem Appell an die Öffentlichkeit, Alexander Van der Bellen zu wählen. Einen "Offenen Brief" mit klar kritischen Anmerkungen zum FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer haben unter anderem die Ex-Parteichefs Erhard Busek, Wilhelm Molterer und Josef Riegler, OeNB-Präsident Claus Raidl und Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat unterzeichnet.

"Nach reiflicher Überlegung und in gemeinsamer Verantwortung für unser Österreich bitten wir Sie, am 22. Mai Alexander Van der Bellen zu wählen", steht in dem Appell – denn: "Hofer ist einfach für bürgerliche Wähler wie uns keine ernst zu nehmende Alternative, Nichtwählen bzw. ein weißer Stimmzettel auch nicht, da er nur Hofer nützt."

Ikrath und Maier als Initiatoren

Unterzeichnet haben es – "nicht aus Begeisterung, aber nach reiflicher Überlegung" – auch die Gault-Millau-Herausgeber Karl und Martina Hohenlohe, Hilfswerks-Geschäftsführer Walter Marteschitz, der frühere Kärntner Landeshauptmann Christof Zernatto, Ex-Rewe-Vorstand Werner Wutscher sowie die schon als Van der Bellen-Unterstützer bekannten Franz Fischler (früherer EU-Kommissar) und Othmar Karas (ÖVP-EU-Delegationsleiter). Initiiert wurde die Initiative von zwei bekannten Querdenker der ÖVP – Ex-Sparkassenverband-Generalsekretär Michael Ikrath und Ex-Mandatar Ferdinand Maier. Ein vierter ÖVP-Alt-Obmann, Josef Pröll, sitzt im Personenkomitee Van der Bellens.

Van der Bellen als "Rot-Weiß-Roter Kandidat"

Ausführlich wird in dem Schreiben argumentiert, was aus bürgerlicher Sicht gegen Hofer als Bundespräsident spricht: "Wir wissen, was die Kornblume bedeutet und nach einer Wahl wollen wir keine Glückwünsche von Le Pen, Jobbik, Wilders und AfD!" Van der Bellen sei hingegen der "Rot-Weiß-Rote" Kandidat, berechenbar und stehe für eine aktive Amtsführung am Boden der Verfassung und der Menschenrechte. "Er wird garantiert keinen Applaus von der falschen Seite bekommen und über ihn werden wir uns auch nicht wundern müssen."

Außerdem bekenne sich Van der Bellen klar zur EU, während Hofer auch heute noch gegen die Mitgliedschaft stimmen würde – "allein aus diesem Grund ist er für uns nicht wählbar". Und von Van der Bellen können man einen positiven Beitrag zur Lösung der aufgestauten Probleme erwarten – wozu "Protest und 'Nein-Sagen'", "Suche nach Sündenböcken und leere Parolen" nicht taugten.

Eine Wahlempfehlung der ÖVP gibt es für die Stichwahl nicht, auch die SPÖ hat auf eine solche verzichtet.

Van der Bellen warnt vor Abschottung

Van der Bellen selbst hat einem Interview mit der APA erneut vor der "blauen Republik" gewarnt. Hofer sei Exponent der FPÖ und verlängerter Arm von Parteichef Heinz-Christian Strache. Wenn zentrale Positionen in FPÖ-Hand gerieten, drohe die Abschottung des Landes. Wer weiß wähle, unterstütze einen Sieg Hofers.

"Wer jetzt weiß wählt, also nicht hingeht oder ungültig wählt, unterstützt einen Wahlsieg von Hofer." Schließlich habe der FPÖ-Kandidat einen Riesenvorsprung, und eine Stimmenthaltung stärke ihn. "Es soll sich dann niemand aufregen, wenn er mit Hofer aufwacht, weil er jetzt weiß gewählt hat."

Dass er angesichts der weitverbreiteten Ängste vor Flüchtlingen, Zuwanderung, Gewalt und sozialem Abstieg mit seinem bisherigen "Schönwetterwahlkampf" falsch gelegen sein könnte, wies Van der Bellen zurück. Es brauche "einen Pol der Ruhe, Besonnenheit und Gelassenheit", statt noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Man müsse dazu zurückfinden, "dass wir das Gemeinsame vor das Trennende stellen, all das, was Österreich in den letzten Jahrzehnten vorangebracht hat".

"Berechtigte Ängste"

Berechtigte Ängste löse jedenfalls das Drängen der FPÖ an die Macht aus, so der Kandidat für das Bundespräsidentenamt, der daran erinnerte, dass etwa der Wiener FP-Vizebürgermeister Johann Gudenus "Asylbetrügern" und "linken Schreiern" für diesen Fall "Knüppel aus dem Sack" versprochen hatte. "Ich glaube, in der Mitte der Gesellschaft herrscht sehr wohl die Sorge vor, dass wir eine blaue Republik bekommen könnten, wenn Hofer am Wahlsonntag gewinnt, und in Kürze dann der Bundespräsident, der Nationalratspräsident, der Bundeskanzler, der Innenminister in blauer Hand sein könnten."

Seine Chancen für die Stichwahl am 22. Mai schätzt Van der Bellen trotz des Rückstands im ersten Wahlgang auf 50:50. Er spüre Unterstützung aus vielen Bevölkerungs- und Berufsschichten, aber auch aus fast allen politischen Lagern.

Kickl: "Herabwürdigung des Mitbewerbers"

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl empörte sich in einer Aussendung über Van der Bellens Interview-Aussagen: "Die Herabwürdigung des Mitbewerbers ist eines Präsidentschaftskandidaten unwürdig." Er sieht Van der Bellen immer mehr zurückgekippt "in die hysterischen Verhaltensmuster seiner Grünen Heimat".

Den bürgerlichen Appell zur Stimme für Van der Bellen verhöhnte Kickl als "Wahlaufruf gescheiterter ÖVPler". Van der Bellen wäre, meint Kickl, ein "idealer Lebensverlängerer eines Systems, das Leute wie Busek, Molterer und Fischler federführend gegen die Wand gefahren haben". (APA, 14.5.2016)

Der Brief im Wortlaut.