Lausitz/Brandenburg – Mit der Besetzung eines Tagebaus und der Blockade eines Kraftwerks haben weit über tausend Umweltschützer aus mehreren europäischen Ländern im ostdeutschen Bundesland Brandenburg für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle demonstriert. Zu der Aktion hatten sich Vorfeld auch Aktivisten aus Österreich angesagt. Es gab 120 Festnahmen.

Der Protest von Braunkohlegegnern in der Lausitz hat zu gewaltsamen Zusammenstößen mit dem Wachpersonal des Energiekonzerns Vattenfall und der Polizei geführt. Vattenfall stellte Strafanzeige. Laut Polizei verschafften sich am Samstagnachmittag rund 300 Teilnehmer eines sogenannten Klimacamps und des Bündnisses "Ende Gelände" Zugang zum Kraftwerk Schwarze Pumpe bei Cottbus, indem sie Zäune niederrissen. Damit hätten sie schweren Landfriedensbruch begangen, erklärte die Polizei.

Es seien rund 120 Menschen vorläufig festgenommen worden, deren Identität festgestellt werde, sagte eine Sprecherin. Zwei Umweltaktivisten wurden den Angaben zufolge verletzt und kamen zur Behandlung ins Krankenhaus.

Eine Sprecherin von "Ende Gelände" sprach hingegen von einer "Einzelgruppe", die auf das Kraftwerksgelände vorgedrungen sei und dementierte, dass Gewalt angewendet wurde. Die Gruppe habe sich auch selbstständig wieder zurückgezogen. Vattenfall erstattete einer Mitteilung zufolge Strafanzeige und stellte Strafantrag. "Es ist eine absolut neue Qualität, dass durch gewaltsamen Druck ein Kraftwerk gezwungen werden soll, seine Produktion einzustellen und damit direkt in das deutsche Stromversorgungssystem einzugreifen", sagte der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe Mining, Hartmuth Zeiß.

Auch Aktivisten aus Österreich hatten ihre Teilnahme zugesagt. "Der Klimawandel ist ein globales Problem, und die Auswirkungen betreffen schon jetzt Millionen Menschen", erklärte etwa Lukas Weber vom österreichischen Bündnis "System Change, Not Climate Change" am vergangenen Dienstag in einer Aussendung. "Das Klima-Abkommen von Paris ist nicht ausreichend um den Klimakollaps zu verhindern. Der Klimawandel ist keine nationale Angelegenheit, sondern betrifft Menschen weltweit.". Laut Weber wollten österreichische Teilnehmer mit Bussen und einer Fahrradkarawane in die Lausitz reisen, "um dort gemeinsam mit tausenden Menschen aus ganz Europa ein Zeichen zu setzen."

"Um die Klimakrise zu lösen müssen wir die Art und Weise wie wir wirtschaften und leben grundsätzlich ändern. Die Lösungen dafür werden nicht von den Regierungen – sondern nur von unten, vom lokalen und globalen Widerstand der Menschen kommen", so Attac-Vorstandsmitglied Carla Weinzierl, die auch am "Ende Gelände" teilnahm. "System Change, not Climate Change" ist nach eigenen Angaben ein Bündnis von Menschen und Organisationen, die sich für eine sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen. "System Change, not Climate Change" informiert über Möglichkeiten zur Teilnahme an "Ende Gelände".

Mit Gleisblockaden hatten bereits zuvor Umweltaktivisten das große Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe zeitweise vom Nachschub abgeschnitten. Kohlezüge konnten am Samstagnachmittag das Werk nicht erreichen, wie der Betreiber Vattenfall und das Protestbündnis "Ende Gelände" übereinstimmend berichteten. Um vorerst mit den Reserven auszukommen, wurde die Leistung des Kraftwerks vorsorglich heruntergefahren, wie ein Sprecher des Energiekonzerns sagte. Die dort produzierte Wärme wird unter anderem für die Versorgung der nahen Städte Hoyerswerda und Spremberg genutzt. An der Gleisblockade beteiligten sich laut Polizei rund 200 Menschen.

Bereits am Freitag waren rund 1600 Braunkohlegegner auf den nahegelegenen Tagebau Welzow geströmt. Sie besetzten Bagger, Gleise und Förderbänder. Vattenfall hatte den Betrieb auf dem Gelände schon am Donnerstag unterbrochen.

Bis zu 1000 Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern hielten sich laut Polizei am Samstag auf dem Betriebsgelände auf; 500 Aktivisten hatten laut Vattenfall im Tagebau übernachtet. "Ende Gelände" kündigte an, dass die Braunkohlegegner eine weitere Nacht ausharren würden.

Vattenfall erstattete Strafanzeigen unter anderem wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung und forderte die Polizei wiederholt zum Einschreiten auf. Diese teilte am Samstag mit, die Staatsanwaltschaft sehe in dem Eindringen der Demonstranten keinen Hausfriedensbruch, weil das riesige Gelände nur zum Teil umzäunt sei. Die Aktivisten hätten sich im Tagebau nach erster Prüfung auch nicht der Nötigung schuldig gemacht, da der Betrieb seit Donnerstag ruhe.

Drei Menschen hatten sich am Freitag auf einem Betriebsgleis der Kohlebahn in Roggosen einbetoniert. Sie wurden am Samstag durch Spezialisten der Polizei von der Gleisanlage getrennt. (APA, 14.5.2016)