Wien – Die Festsaison ist angebrochen, und die Registrierkassenpflicht erhitzt mehr denn je die Gemüter. Derzeit sind gemeinnützige Vereine wie Feuerwehr oder Blasmusik nur dann ausgenommen, wenn bei Festen insgesamt weniger als 48 Stunden im Jahr Essen oder Trinken ausgegeben wird, die engagierte Musikgruppe nicht mehr als 1000 Euro pro Stunde verlangt und keine weiteren Helfer außer Vereinsmitglieder und deren Angehörige auf dem Fest arbeiten. Wer größere Veranstaltungen abhält, braucht eine Kasse und muss Belege ausgeben.

Landeshauptleute mit dem Ohr am Volk haben Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) dazu gebracht, über großzügigere Ausnahmen und eine Erhöhung der Umsatzgrenze nachzudenken. Mancherorts treffen die geplanten Änderungen auf Widerstand. Ein Streitgespräch in der Tiefe des ländlichen Raums zwischen Anarchie und Kommunismus.

STANDARD: Herr Krikler, die geltenden Ausnahmen klingen nach einem vernünftigen Kompromiss, die Eckpunkte sind seit einem Jahr bekannt. Wieso ist die Aufregung bei den Vereinen jetzt so groß?

Krikler: Wir warnen seit einem Jahr vor einer Rechtsunsicherheit, erst jetzt werden auch andere auf die Problematik aufmerksam. Es gibt immer mehr Anzeigen gegen Vereine, die Feste veranstalten. Das Vereinsrecht ist so umfangreich und kompliziert, dass ein Verein fast schon einen Juristen braucht, um durchzublicken. Die Registrierkassenpflicht hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Es stellt sich die Frage, was man Ehrenamtlichen noch alles zumuten will. Wir haben eh schon so eine Zettelwirtschaft, jetzt kommt auch noch die Belegpflicht dazu. Wenn irgendwo am Land ein Dorffest stattfindet ...

Knasmüller: ... dann ist das ohnehin ausgenommen. Genau dafür gibt es die 48-Stunden-Regel. Gezählt werden nur die Stunden mit tatsächlicher Ausgabe von Essen und Trinken, Feste können also auch über mehr als zwei Tage gehen und trotzdem unter die Ausnahme fallen.

Pulker: So ist es. Die 48-Stunden-Grenze gibt es deswegen, weil man die gewerblichen Betriebe schützen muss, die von der Gastronomie leben. Würde man diese Ausnahmen ausweiten, würden viele Betriebe, die Mitarbeiter beschäftigen, Lehrlinge ausbilden und Steuern zahlen, nicht mehr überleben, weil im Dorf jedes Wochenende ein Fest oder sogar mehrere stattfinden. Als Beispiel ein Discobetreiber im Waldviertel: Der hat uns gesagt, er hat an einem normalen Samstag 600 Eintritte. Wenn irgendwo in der Umgebung ein Clubbing eines Jugendvereins stattfindet, hat er nur 80.

Krikler: Betreiber von Großdiscos wollen doch nur ihre Konkurrenz eliminieren. Die Wirte, mit denen ich spreche, sagen etwas anderes. Die sind oft selbst in Vereinen engagiert. Die Wirtshauskultur wie vor 30 Jahren gibt es halt nicht mehr. Und viele Jugendliche sind auch keine Discogeher, sondern besuchen lieber Jugendfeste. Vereinsfeste beleben die Wirtschaft am Land. Wenn da noch rigoroser vorgegangen wird, entsteht ein existenzgefährdender Schaden für Getränkehändler, Verleih- und Taxiunternehmer.

Pulker: Man kann Schattenwirtschaft nicht mit einer Belebung der Realwirtschaft entschuldigen. Um zusammenzukommen, muss die Jugend nicht gastgewerblich tätig werden. Wenn Sie das wollen, dann brauchen Sie eine Konzession und eine bewilligte Betriebsanlage.

Krikler: Es gibt Vereine, die mussten 30.000 Euro Steuern nachzahlen, weil ihnen nachträglich die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, weil sie ein Jugendheim führen. Diese Unsicherheit kann man den Vereinen nehmen, indem man eine unbürokratische Pauschalabgabe einführt.

Pulker: Blaulichtorganisationen, Sportvereine und Blasmusik bereichern die Dorfgemeinschaft. Jugendvereine tun etwas für die Jugend, aber nicht für die Allgemeinheit. Viele Feuerwehren klagen darüber, dass sie bei ihren Festen zu wenig einnehmen, um ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Weil es mittlerweile schon so viele Feste von Vereinen gibt, die sich das Gemeinnützigkeitsmanterl umhängen.

Krikler: Es ist eine Unterstellung, Vereinen vorzuwerfen, sie würden nicht der Allgemeinheit dienen. Unsere Junge Volkspartei in meiner Heimatgemeinde Jois im Burgenland hat einen alten Pfarrkeller renoviert und die Feuerwehr finanziell unterstützt. Für solche Projekte, die der Gemeinde zugutekommen, braucht es eine finanzielle Grundlage.

Pulker: Die können Sie sich mit Mitgliedsbeiträgen, Spenden oder Tombolas schaffen. Aber nicht mit gastronomischer Tätigkeit, die auf Kosten der Wirtschaft geht. Wenn die Dorfjugend einen Jugendkeller will, dann muss der Gemeinderat schauen, dass er etwas macht.

Krikler: Das ist ja wie im Kommunismus, wenn immer der Staat drauf schauen muss, dass alle etwas haben.

Pulker: Auf die Grundabdeckung muss der Staat schauen, dafür zahlen wir Steuern. Die Gemeinnützigkeit von Vereinen hat seine Grenzen. Bei mir im Ort hat ein Wassersportklub ein jährliches Fest ausgerichtet, bis wir es ihnen abgedreht haben. Die Erträge wurden dazu verwendet, mit dem Motorboot auf der Donau zum Heurigen zu fahren und wieder zurück.

Krikler: Diese Pauschalkriminalisierung ist schockierend. Heute verliert ein Verein ja schon seine Gemeinnützigkeit, nur weil er eine Weihnachtsfeier macht. Dafür hat kein Vereinsmitglied in Österreich Verständnis. Es geht ja nicht um Bereicherung, sondern um die Sache.

Pulker: Muss ich vorher gastgewerblich tätig sein, damit ich eine Weihnachtsfeier machen kann? Warum zahlt ihr euch das nicht selbst? Wir haben kein Problem mit den Vereinen generell. Es gibt rund 120.000 in Österreich, nur 30.000 sind gastronomisch tätig. Wir haben zum Beispiel in Niederösterreich bei mehr als 1.700 Feuerwehren keinen einzigen Fall einer Übertretung der 48-Stunden-Regel. Wenn anderswo einzelne Feuerwehren schon Ende April über den 48 Stunden liegen, sagt das alles.

Krikler: Sie nehmen nur Negativbeispiele und konstruieren eine Neidkultur. In vielen Orten arbeiten Feuerwehren und andere Vereine bei Festen gut zusammen. Die Frage ist doch, ob die Einnahmen daraus der Allgemeinheit zugutekommen. Deshalb fordern wir auch eine Anlaufstelle, die nachprüft, welche gemeinnützigen Leistungen Vereine erbringen.

Knasmüller: Wer soll kontrollieren, was bei Festen umgesetzt wurde, wenn keine Aufzeichnungen da sind? Außer dass man sich am Ende des Tages einen Umsatz wünschen kann.

Krikler: Deshalb sagen wir ja dezidiert: Registrierkassenbefreiung nur bis 30.000 Euro Umsatz pro Jahr.

Knasmüller: Und wie kontrollieren Sie die 30.000, die bei einem Fest ja schnell erreicht sind? Das kann ich bei einem Zweitagesfest noch einigermaßen nachvollziehbar schätzen, aber nicht über einen längeren Zeitraum. Viele Vereine, die zum ersten Mal eine Kasse benutzen, werden draufkommen, wie viel Umsatz sie bis jetzt gemacht hätten, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre und sich niemand auf Vereinskosten bereichert hätte. Die Leute glauben gar nicht, um wie viel sie von Mitarbeitern betrogen wurden, denen sie vertraut haben. So wie auch viele Wirte draufkommen, welchen Umsatz sie gehabt hätten, hätten sie schon früher ihre Kellner kontrolliert.

Sascha Krikler von der Initiative Rettet die Vereinsfeste (re.) fordert Erleichterungen für seine Klientel, sehr zum Missfallen von Gastronomievertreter Mario Pulker (li.). Zusammen mit Kassenexperte Markus Knasmüller wird über Für und Wider der Kassenpflicht disputiert.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Herr Pulker, sind nicht die Gastronomen in Wahrheit die Gruppe mit den größten Schwarzgeldeinnahmen überhaupt?

Pulker: Nur weil irgendwer das sagt, muss es nicht gleich stimmen. Es gibt keine Zahlen dazu. Wenn Ihnen Ihr Frisör keine Rechnung in die Hand gibt, wissen Sie ja auch nicht, ob er es einbucht oder nicht. Jetzt brauchen wir darüber nicht mehr diskutieren. Für uns ist die Registrierkassenpflicht ein Segen. Damit entkriminalisiert man die Wirtschaft, jetzt haben wir endlich Umsatzwahrheit.

Krikler: Eine Anhebung der Umsatzgrenze würde auch vielen Klein- und Mittelbetrieben helfen.

Pulker: Überhaupt nicht. Unsere Sparte hat 90.000 Mitgliedsbetriebe, davon haben nur 2.400 weniger als 30.000 Euro Umsatz. Damit ist ja kein Vollerwerbsbetrieb zu machen. Hebt man die Grenze wieder an, haben wir erst recht wieder unlauteren Wettbewerb. Und wenn ich heute einen Spritzer um 90 Cent verkaufen will, ihn aber bonieren muss, dann geht das betriebswirtschaftlich eben nicht mehr zusammen, ganz einfach.

Knasmüller: Die Umsatzgrenze war zwar von Anfang an knapp bemessen. Sie aber jetzt rückwirkend zu ändern, belohnt die, die noch keine Kasse haben. Und es bestraft diejenigen, die sich eine zugelegt haben und das vielleicht gar nicht mehr müssten. Das ist bei den Unternehmern auch gar kein so großes Thema, sondern mehr ein politisches Zuckerl.

Krikler: Für viele Sportvereine mit Kantinenbetrieb wäre es beispielsweise hilfreich.

Knasmüller: Die Belegerteilungspflicht gilt ja trotzdem. Jetzt muss für jede verkaufte Cola eine händische Rechnung geschrieben und am Ende zusammengezählt werden. Dabei könnte man um null Euro eine Kassensoftware fürs Smartphone nehmen und bekommt sogar die Anschaffungsprämie von 200 Euro geschenkt. Oder man kauft eine Hardware-Kasse für 300 Euro. Da verstehe ich die Aufregung nicht. Kleine Feste sind deshalb ausgenommen, weil das Kassieren bei Stoßgeschäft schwierig ist. Das muss man unterscheiden von einer normalen Kantine in einem Verein, wo das Kassieren ganz simpel ist.

STANDARD: Was empfehlen Sie Vereinen, die so große Feste veranstalten, dass sie nicht unter die Ausnahmeregeln fallen?

Knasmüller: Bei diesen wirklich großen Festen braucht es Kassenanlagen, die kostenmäßig im fünfstelligen Bereich liegen, da ist eine Mordstechnik dahinter. Da leiht man sich am besten entsprechende Kassensysteme aus, das ist günstiger.

STANDARD: Vereine und Gastronomie haben bei all den Differenzen auch gemeinsame Interessen.

Krikler: Im Moment kann ein gemeinnütziger Verein zusammen mit einem Gastronomen kein Fest organisieren, ohne dass man eine Kasse braucht. Das ist ein Wahnsinn, da wird eine Partnerschaft unmöglich gemacht.

Pulker: Das ist richtig, und Finanzminister Schelling hat zugesagt, dass sich das ändern wird. Man muss nur die Begünstigungsschädlichkeit bei Mitarbeit eines Gastronomen bei kleinen Vereinsfesten streichen. Das löst aber nicht das Problem mit den nicht Gemeinnützigen, die gastgewerblich tätig sind, ohne es zu dürfen. Es gibt da keine Rechtsunsicherheit, die Sache ist eindeutig. Wenn ich auf der Autobahn mit 200 km/h fahre und nicht weiß, dass nur 130 erlaubt sind, habe ich Pech gehabt.

Krikler: Weil es keine Warnschilder gibt! Die Vereine werden ins kalte Wasser geschmissen, die Lage ist unübersichtlich. Das Vereinsrecht ist viel komplexer als das Gewerberecht.

Pulker: Um Gottes willen, nein! (lacht)

Krikler: Was ich in den letzten Monaten von Vereinen alles erfahren habe, ist unzumutbar für ehrenamtlich Tätige. Es sind Gesetze aus dem Ruder gelaufen.

Pulker: Nichts ist aus dem Ruder gelaufen. Wir leben ja nicht in einer Anarchie, wo jeder machen kann, was er will.

Krikler: Aber scheinbar im Kommunismus, wo sich die Jugend nur durch den Staat finanzieren darf.

Pulker: Sie kann sich auch selbst finanzieren, solange sie Steuern und Abgaben zahlt. (Simon Moser, 17.5.2016)