
Will Neustart, muss aber auch rote Machtzentren berücksichtigen: Künftiger SP-Chef Kern.
Arbeitsbilanz, Medientauglichkeit, Geschlecht, Seilschaft und, und, und: Der künftige Kanzler Christian Kern wird das bisherige Regierungsteam an vielen Maßstäben messen. Wer darf bleiben, wer muss gehen? Bis zuletzt ließ der neue Chef manchen Minister im Dunkeln tappen. Ein Überblick.
- Alois Stöger Geht es nach den Spekulationen in den Medien, dann säße der Linzer schon seit Jahren nicht mehr in der Regierung. Doch weil Stöger weder im Gesundheits- und Verkehrsressort noch als aktueller Sozialminister schwere Fehler machte, hat er auch jetzt Chancen auf einen Verbleib. Erste Ablösegerüchte haben sich verflüchtigt, die Gewerkschaft wirft sich für ihn ins Zeug, und Oberösterreichs SPÖ will ebenfalls nicht übergangen werden. Modernisierungsschub verkörpert Stöger, Typus spröder Experte, keinen – andererseits: Auch ein Fußballteam kann nicht mit fünf Mittelstürmern antreten.
- Gabriele Heinisch-Hosek Wer die allumfassende Erneuerung beschwört, kommt am Thema Bildung nicht vorbei. Schlechte Karten also für Gabriele Heinisch-Hosek, die in ihren zweieinhalb Jahren als zuständige Ressortchefin den Nimbus der roten Zukunftshoffnung verspielt hat. Die Niederösterreicherin ist zwar sozialdemokratische Frauenvorsitzende, doch ihre loyale Gefolgschaft zum abgehalfterten Parteichef Werner Faymann dürfte schwerer wiegen – zu ihren Ungunsten.
- Gerald Klug Als er noch Verteidigungsminister war, hielt ihn nicht einmal die damalige Parteispitze für eine Idealbesetzung; nur Faymanns seltsamer Logik war es geschuldet, dass Klug mit einem noch mächtigeren Ressort – jenem für Verkehr – belohnt wurde. Nun aber scheint der Abschied gekommen zu sein, zumal Klug in seiner Heimat Steiermark politisch als schlechter verankert gilt als etwa Stöger in Oberösterreich. Außerdem hätten die Genossen südlich des Semmerings mit dem Landesrat und Ex-Europaabgeordneten Jörg Leichtfried bereits einen herzeigbaren Ersatzmann bei der Hand.
- Josef Ostermayer Sein Schicksal in der Regierung sei auf Gedeih und Verderb mit Faymann verbunden, hatte der Kanzleramtsminister einst beteuert, doch nun scheinen Gelüste auf ein politisches Eigenleben ohne den jahrzehntelangen Chef erwacht zu sein. Ein Argument bot ihm eine Reihe von Künstlern, die sich in einem Aufruf für seinen Verbleib starkmachten. Gegen Ostermayer spricht sein Ruf als paradigmatische Figur des Systems Faymann: Kritiker machen ihn für Unterdrückung von Widerspruch und Diskussionen in der Partei verantwortlich. Obendrein hat der Burgenländer in keiner sozialdemokratischen Organisation eine echte Hausmacht, und: Will Kern in der Ministerriege Halbe-Halbe zwischen Geschlechtern, muss ein Mann einer Frau weichen.
- Hans Peter Doskozil Obwohl der Verteidigungsminister bei manchen Linken und Linksliberalen, besonders in Wien, nicht gerade wohlgelitten ist, wird er als Fixstarter in der neuen Regierung gehandelt – schließlich gilt es, beide Seiten in der Sozialdemokratie zu "bedienen". Wie "sein" Landeshauptmann Hans Niessl steht der Burgenländer Doskozil für den rechten Flügel der SPÖ – und für die Fortsetzung der seit einigen Monaten verschärften Asylpolitik in der Bundesregierung. Bei den Wählern ist er durchaus populär: Zuletzt genoss er laut Umfrage das größte Vertrauen aller roten Regierungsmitglieder.
- Sabine Oberhauser Hat in der heißen Phase vor Faymanns Ablöse, als die SPÖ im Chaos zu versinken drohte, Nerven bewahrt: Ein souveräner Auftritt im Fernsehen hat die Chancen auf eine Verlängerung im Regierungsteam erhöht. Ebenfalls sprechen für die Wienerin der Rückhalt der Gewerkschaft sowie ihr gutes Standing im Volk: Auch sie liegt in der Politikerhitparade für SPÖ-Verhältnisse weit vorne. (Gerald John, 16.5.2016)