Eins ist noch ganz wie früher: Die allzu seicht gestufte Treppe zum Lokal, nun der Weg zu allem Fleischlichen, humpelt man unweigerlich unelegant hinunter wie einst ins Skala. Und noch etwas lässt sich wiedererkennen, aus alten Tagen, im Door No. 8: Die WC-Wände aus GFK, einst nach meiner Erinnerung in klassischem Bernstein, nun, jedenfalls für die Männer, schwer verdunkelt.
Sie sehen, ich bringe keine kleine Vorbelastung mit in dieses auch nicht mehr ganz neue Steaklokal. Das Skala war vor gefühlten 100 Jahren ein noch immer lässiges, aber halt auch schon in die Jahre gekommenes Wirtshaus, das man (eher vor meinen Erkundungen) wohl unter dem Begriff "Szene" einordnete, was ich wiederum (damals) interessant fand.
Vergessen wir's (was nur mir ein bisschen schwer fällt), mosern wir nicht herum, dass das damals schon noch immer irgendwie lässiger war, auch wenn das Essen damals nicht restlos überzeugte. Und heute?
Das Door No. 8 ist an einem mittleren Wochentag im Mai gut bis sehr gut besucht, das Publikum wirkt aus der Ferne durchaus zufrieden. Und wir (einmal abgesehen von meiner kleinen Sentimentalität)?
Sehen Sie selbst.
Geschmackstraum und so
Gleich aufs Ganze. Mit Vorspeisen halten wir uns hier nicht auf: Tatar von Tunfisch, Avocado, Rindsfilet zum Beispiel, oder Sashimi von Fisch und Rind, grundvernünftig, aber wir haben Großes vor. Und die französische Zwiebelsuppe hätte ich schon im Skala ein bisserl retro gefunden. Den "Geschmackstraum: Entrée mit Apéritif", in der Karte mit einem Aigu weniger, wohl ebenso.
Wir fokussieren auf's sous vide eingestimmte, und kurz, aber superheiß angebratene Rind: Rib Eye, aus Australien angereist, naturgemäß in der 450-Gramm-Version für die Frau gegenüber, die partout in ein "Fleischlokal" wollte. Und dann überraschend schwächelte.
Vielleicht lag's am Blauschimmel auf dem Blattspinat, den sie als Begleitung bestellt hatte. Vielleicht ein kleines Formtief. Vielleicht auch nur die mit Brot, Bärlauch und Wein überbrückte, bisschen lange Wartezeit. Vielleicht lag's aber auch an der ihr und mir unbekannten Intensität dieses Rib Eye, einer fast schon grenzwertigen Fleischigkeit. Und: Es war nun wirklich nicht unser erstes Rib Eye.
Weg-Zeit-Fleisch-Diagramm
Wir diskutierten lange über diese Fleischigkeit, und ob das Stück vielleicht doch zu lang unterwegs war oder sich allzu lange von der Reise erholen durfte, ich bekam schließlich die Hälfte, und das war gut, nicht alleine, weil weder ihr noch mir nachher auch nur im Leisesten schlecht war.
Das ist doch schön, insbesondere, wenn man beim geschätzten Kollegen Holzer gelesen hat, dass das Filet aus Uruguay "einen überaus 'reifen' Geruch" verströmt hat und nicht verrechnet wurde. Auch Die Presse schien eher grantig über das Lokal, dem indes freundlichen Falstaff verdankte ich die Erkenntnis, dass eine der beiden betreibenden Schwestern "ursprünglich aus der Wirtschaftsbranche" stammt.
Große Cuts
Ich kann, ein halbes Jahr nach den Kolleginnen und Kollegen, berichten: Unser Rib Eye soll so sein, wie wir hörten, es wurde mit vereinten Kräften verputzt – und also zurecht verrechnet mit 35,90 Euro. Uruguay steht – Mitte Mai 2016 – nicht oder gerade nicht auf der Karte. Allein USA und Irland, Australien und Neuseeland finden sich dort.
Dafür steht, ein Stück vor dem Steak, eine Assemblage durchaus beeindruckend aussehender Messer auf unserem Tisch, vielleicht auch als Zeitvertreib bis zum Fleisch. Mein beherztes Gegenüber moniert beziehungsbedingt den Mangel an dezidierten Linkshändermessern und wählt für sich schließlich Heavy Metal.
Ich greife zu a) Holzgriff und b) vermutetem Laguiole (vermutlich in Kombination wieder eine Bildungslücke) – ist es schließlich nicht, schneidet aber absolut zufriedenstellend.
Limited Edition
Weil ich "Limited Edition" gelesen hab, bestellte ich übrigens vor dem passenden Messer das "Filet Neuseeland", schwadroniere dem Auftrag der Karte gemäß über "amerikanisch" (der Röstaromen wegen, bei großen Cuts, sagt der Beipacktext zu allen Steaks), und murmle offenbar etwas zu verhalten, dass ich gern das große Stück hätte. Also: a) amerikanisch und b) vor allem 550 Gramm.
Limited Edition, wörtlich
Es war den grundsympathischen Kräften hochnotpeinlich, als ich meinem Erstaunen – äußerst höflich – Ausdruck verlieh, dass das ja wohl eher nicht die 550-Gramm-Ausgabe von Neuseeland sein kann. In der Tat, mir widersprach auch niemand: 240 Gramm, 28,90 Euro, nicht die erwarteten 64 Euro, und, immerhin: grundgut. Jedem Filetesser und jeder Filetesserin nur ans Herz zu legen. In der Tat und in dieser Grammatur aber eine Limited Edition für ernste Fleischesser wie Bruckenberger, Schell und mich.
Ich ward getröstet a) wirtschaftsseits mit einem extra Glas aus dem Douro, den wir ohnehin nach den örtlichen "Weinquadrat"-Kriterien "hart" und "stark" gewählt hatten, und b) unter Konsumenten, beinah einem halben Rib Eye, das, vielleicht hab ich's erwähnt, sehr, sehr fleischig, aber schon gut war.
Ich frage mich noch heute ob der überaus freundlichen Gratifikationen: Hat jemand vielleicht meinen Gesichtsausdruck fotografiert, als ich statt 550 Gramm Neuseeland gerade 240 Gramm von der anderen Seite des Erdballs präsentiert bekam? (Harald Fidler, 24.5.2016)