Durham – Wenn Oma mal wieder den Enkelsohn mit dem Namen von dessen Bruder – oder zur Abwechslung auch von dessen Schwester – anspricht, muss man sich nicht gleich Sorgen um ihr Erinnerungsvermögen machen. Ebensowenig sollte man beleidigt reagieren, wenn einen der beste Freund plötzlich mit dem falschen Vornamen anspricht. Solche Versprecher sind unter Menschen, die einander sehr nahe stehen, völlig normal, berichten US-Forscher der Duke University im Fachjournal "Memory & Cognition". Und sie folgen einer klaren Gesetzmäßigkeit.

Die Studie

Das Team um Erstautorin Samantha Deffler führte fünf Befragungen mit insgesamt über 1.700 Teilnehmern durch, um herauszufinden, welchen Mustern solche Versprecher folgen. Letztlich entspringen sie offenbar einem Wir-Gefühl, resümieren die Forscher. Wenn uns versehentlich der falsche Name herausrutscht, ist dies einfach ein Anzeichen dafür, dass wir beide Personen "unserer" Gruppe zuordnen, sagt Defflers Kollege David Rubin.

Phonetische Ähnlichkeit kann den Effekt fördern, fanden die Forscher heraus: Versprecher traten häufiger auf, wenn zwei Namen mit dem gleichen Buchstaben begannen oder die gleiche Endung oder den gleichen Vokal hatten (etwa Bob und John). Hingegen spielen Äußerlichkeiten wie die Ähnlichkeit zwischen zwei Personen offenbar überhaupt keine Rolle – darum können Versprecher sogar geschlechterübergreifend sein.

Tierische Gruppenmitglieder

Die Unabhängigkeit von äußerer Ähnlichkeit zeigt sich auch bei einem skurrilen Nebenergebnis der Befragungen: Überraschend oft kommt es laut Deffler sogar vor, dass jemand versehentlich mit dem Namen eines Haustiers angesprochen wird. Allerdings nur, wenn dieses ein Hund ist – bei Katzen und anderen Haustieren konnte nichts dergleichen festgestellt werden.

Die Forscher vermuten, dass die vielgerühmte Beziehung zwischen Mensch und Hund so eng ist, dass wir Hunde tatsächlich unbewusst als Mitglieder unserer Gruppe empfinden. Oder vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass der Name eines Hundes im Alltag viel öfter fällt als der einer Katze, räumt Deffler ein – Katzen reagieren darauf ja ohnehin kaum.

Deffler kann aus eigener Erfahrung berichten, was die Studie nun als weit verbreitetes Phänomen belegt hat: Sie sei von ihrer Mutter schon als Rebecca, Jesse und Molly angesprochen worden. Ersteres ist der Name ihrer Schwester, zweiteres der ihres Bruders ... und Molly heißt der Pitbull der Familie. (red, 18. 5. 2016)