Weil 's a Tracht ist: In der alten, neuen Poststube in Traunkirchen wird g'scheit gut aufgekocht.

Foto: Majken Corti

Eine typisch oberösterreichische Deftigkeit: Leberschädl mit Erdäpfelpüree und Apfelkren.

Foto: Majken Corti

Um das frisch wiedereröffnete Wirtshaus im Hotel Post in Traunkirchen zu beschreiben, muss man im nahen Hotel Traunsee beginnen, das auch der Hoteliersfamilie Gröller gehört. Da ist nämlich Bemerkenswertes geschehen, seit vor vier Jahren Lukas Nagl als Koch angeheuert hat. Der junge Mann versteht es, das geschundene Schlagwort von der Regionalität auf eine Art mit Leben zu erfüllen, dass sich der Rest des Landes eine dicke Scheibe abschneiden könnte. Nagl arbeitet eng mit lokalen Produzenten zusammen – drei Fischer legen ihre Netze im See quasi exklusiv für ihn aus -, er entwickelt seine Küche beständig mit weltläufigen Ideen und dem Rückgriff auf uralte Konservierungs- und Verarbeitungstechniken weiter.

Hier werden Seefische, die anderswo achtlos in der Suppe oder (noch ärger) auf dem Grill landen, auf eine Art zu Tisch gebracht, dass auch weitgereiste Esser mit den Ohren schlackern. Die Traunsee-Fischsauce, die er nach südostasiatischer Tradition aus Beifang ansetzt, gehört wohl zu den faszinierendsten neuen, alten Erfindungen, die unsere Küche in den vergangenen Jahrzehnten zu verzeichnen hatte.

Aalruttenleberkäse

Seit ein paar Wochen ist Nagl seines Souschefs Lukas Lepsic, mit dem er viele dieser Ideen auf den Weg gebracht hat, verlustig gegangen. Der ist ein paar Häuser weiter in die Poststube gewechselt. Seitdem schmeckt es hier, als würde daraus eines der tollsten Wirtshäuser des Landes. Das beginnt bei dem, was vorweg zu Tisch kommt.

Ein Aufstrich etwa, bei dem aus Quargel und Paprika eine Art Obazda entsteht – hocharomatisch, auf gefährliche Art Trinkfluss (Eggenberger aus Tonkrügen, herausragender Most, aber auch reichlich gute Weine) wie Appetit anregend. Oder Aalruttenleberkäse – die Leber des köstlichen Fisches gilt als begehrte Spezialität. Im Leberkäs kann sie sich nur hintergründig in Szene setzen – der knusprig-flaumige Ziegel ist dessen ungeachtet im Nu verputzt.

Seebarsch wie Schnecke

Oder winzige Seebarschfilets, gerollt und im klassischen Schneckengeschirr mit ebensolcher Kräuterbutter gratiniert: Zum Hineinlegen gut, der festfleischige Fisch ist am Gaumen ungleich attraktiver als die oft gummig wirkende Molluske. Weiter geht es mit sämiger Fischsuppe samt Traunkrebs, tadellos, im Vergleich zu den anderen Herrlichkeiten aber ein bissl verwürzt (oder gar mit Gemüsepüree gebunden?).

Viel besser: Saure Rahmsuppe, dicht und doch leicht, kümmelig, wie man das gerne hat. Oder festfleischiges, in Butterschmalz gebackenes Biohendl mit erstklassigem gemischtem Salat. Leberschädl, eine typisch oberösterreichische, fast in Vergessenheit geratene Deftigkeit, wird (siehe Bild) knusprig und flaumig mit Erdäpfelpüree serviert, dazu gibt es Apfelkren. Auf Vorbestellung darf man sich auch auf frische Brathendln freuen, auf Bauernschmaus vom Wollschwein samt Grammelknödel und hausgemachter Blunze – oder gar auf Krebsenessen aus dem Kupferkessel.

Das Lokal ist geschmackssicher mit lokalen Materialien und Kunsthandwerk möbliert: Im Eingangsbereich sind Boden und Schank aus rotem Salzkammergut-Marmor, entlang der Wand stehen langgestreckte, elegant geschwungene Wirtshausbänke, die zauberhaften Lampenschirme sind aus handkolorierten Holzschnitten des Altmünsterer Künstlers Konrad Lang gefertigt. Der Traunsee hat ein neues bestes Wirtshaus – dass der Blick auf den See hier von einem massiven Parkplatz beeinträchtigt ist, könnte einem vor Freude über das, was auf den Tisch kommt, fast gar nicht auffallen. (Severin Corti, RONDO, 20.5.2016)