Makakendamen zeichnen sich durch rote Hinterteile und Gesichter aus – je röter, desto empfängnisbereiter.

Foto: Konstanze Meindl

Wien – Die meisten Affenarten trifft man eher in wärmeren Weltgegenden, Japanmakaken jedoch kommen auch mit Eis, Schnee und Minustemperaturen gut zurande. In ihrer Heimat Japan nutzen sie oft heiße Quellen, um sich aufzuwärmen. Diesen Luxus kann ihnen der Affenberg in Landskron bei Villach nicht bieten, aber sonst leben die Japanmakaken dort unter besten Bedingungen – und fast wild. Das rund 40.000 Quadratmeter große Gelände ist in privater Hand: 1996 erfüllte sich der Tischlermeister Peter Gaubatz einen privaten Traum und siedelte vierzig in Japan erworbene Makaken nahe der Burg Landskron an. Mittlerweile ziehen die Tiere nicht nur Touristen an, sondern auch jede Menge Wissenschafter. Vergangene Woche wurde dort auf dem Affenberg ein Forschungszentrum für Primatologie eröffnet.

Kälteresistenz

Die Makaken bewohnen in ihrer Heimat verschiedene Wälder, wobei sie bis auf fast 3.200 Meter Seehöhe gehen. Ihre Kälteresistenz macht ihre naturnahe Haltung auch in Kärnten möglich, einen wärmenden Unterstand gibt es nicht. Die Besucher der Anlage sehen im Rahmen von Führungen nur rund ein Drittel des Geländes, und während der Paarungszeit im Winter bleibt der Affenberg für Besucher überhaupt geschlossen.

Auch Körperkontakt mit Menschen gibt es nicht: Die Tiere werden regelmäßig gefüttert, aber das ist auch schon alles. Auch die Wissenschafter halten Abstand – die Untersuchung erfolgt ausschließlich noninvasiv über Kotproben, die von den Departments für Verhaltensbiologie und Anthropologie der Universität Wien und der Technologieplattform Vetcore der Veterinärmedizinischen Universität Wien ausgewertet werden. Auch die Teilnahme an wissenschaftlichen Experimenten erfolgt seitens der Affen völlig freiwillig: Auf dem Gelände gibt es das "Wissenschaftshaus", eine einfache Holzhütte, in der diverse Versuche so eingerichtet werden, dass sie ohne menschliches Beisein ablaufen. Die Auswertung erfolgt über Videoaufzeichnungen.

Einer der Ersten, die das Verhalten der Kärntner Affen untersuchten, war Bernard Wallner vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Er und seine Mitarbeiter zeigten männlichen Japanmakaken auf Bildschirmen die Gesichter von Weibchen, die jeweils unterschiedlich intensiv rot gefärbt waren. Bei den Makakendamen sind sowohl Hinterteile als auch Gesichter desto röter, je näher sie ihrer empfängnisbereiten Phase sind. Die Reaktion der Männchen wurde danach gemessen, wie oft und wie intensiv sie bestimmte Gesichter betrachteten und wie häufig sie den nahen Kontakt zu den Bildschirmen suchten.

Wie sich zeigte, interessierten sich die Männchen am meisten für die Bilder besonders rotgesichtiger Artgenossinnen, und zwar desto intensiver, je höher ihre eigenen Cortisolwerte waren. Cortisol ist ein Hormon, das in Stresssituationen ausgeschüttet wird. Doch wie hängen Stress und Fortpflanzung zusammen? Um das näher zu beleuchten, erhoben Lena Pflüger und Kollegen die Cortisolwerte aus Kotproben 26 männlicher Japanmakaken während der Paarungszeit.

"Während des Sommers liegen die Sexualhormone quasi auf Eis, aber im Winter, in der Paarungszeit, schießen die Hormone ein", sagt Pflüger, Biologin und eine der Gründerinnen des Primatologiezentrums. In dieser Phase bilden sich Paare, die gemeinsam fressen, ruhen und kopulieren – allerdings nur für jeweils einige Tage, dann formieren sich wieder neue Beziehungen. Dadurch weiß keines der Männchen, ob die Jungen seine eigenen sind oder der Nachwuchs eines anderen, ein wenig befriedigender Zustand für die Männchen. Allerdings investieren die Weibchen – wie bei Säugern üblich – deutlich mehr in die Nachkommenschaft: Sie können nur einmal pro Jahr empfangen und bringen gewöhnlich nur ein Junges zur Welt. Überlebt dieses nicht, war aller Aufwand, den sie dafür getrieben haben, umsonst.

"Wir nehmen an, dass die Männchen nicht wissen, wann die Weibchen tatsächlich empfängnisbereit sind", erläutert Pflüger, wodurch "auf diese Weise die Vaterschaft vertuscht werden kann." So könnten viele Männchen der Vater eines Jungen sein, was möglicherweise dazu führt, dass die Kinder den Schutz aller potenziellen Erzeuger genießen.

Streitkompetenz

Im Allgemeinen bevorzugen Weibchen ranghöhere Partner und verbringen mit diesen auch mehr Zeit. Eine Aufgabe eines ranghohen Männchens ist es, sich in Streitereien einzumischen und diese zu beenden. Pflügers Untersuchungen ergaben einen überraschenden Zusammenhang: Je niedriger die Cortisolwerte eines Männchens, desto häufiger zeigte es aggressives Verhalten – allerdings: "Es geht nicht um wildes Um-sich-Schlagen", betont Pflüger, "sondern um gerichtete Aggression. Ein geringer Wert an Cortisolmetaboliten im Kot weist darauf hin, dass die Tiere imstande sind, nach Stress rasch wieder in den Normalzustand zu kommen", wie Pflüger ausführt, "und solche Individuen können es sich leisten, sich gezielt in Konflikte einzumischen."

Vom Menschen weiß man, dass eines der Gene, die an der Stressreaktion beteiligt sind, das COMT-Gen, in zwei Varianten vorliegt. Je nachdem, welche Variante ein Mensch trägt, ist er schneller oder weniger leicht zu stressen. Wie Pflüger und ihre Kollegen nachweisen konnten, herrschen bei den Makaken ganz ähnliche Verhältnisse. Wer also von den derzeit 152 Makaken auf dem Affenberg das nächste Alphamännchen wird, könnte auch von seiner genetischen Ausstattung abhängen. Pflüger bringt es auf einen Punkt, der nicht nur für Makaken interessant sein dürfte: "Gibt es eine genetische Prädisposition für die Chefetage?" (Susanne Strnadl, 18.5.2016)