Bild nicht mehr verfügbar.

Die Werbung führt Verbraucher häufig in die Irre. Die EU versucht, Bürger davor zu schützen – mit mäßigem Erfolg.

Foto: wikipedia/FDA graphic by Michael J. Ermarth - "Miracle Cure!" Health Fraud Scams/gemeinfrei

EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

Foto: georg h. jeitler/donau-uni krems

Werbung gehört nicht zu den vertrauenswürdigsten Informationsquellen. Das ist im Großen und Ganzen egal, denn es sollte jedem von uns bewusst sein. Aber auch wenn der Himmel in der Werbung etwas zu blau und das Gras zu grün ist, Autos nie im Stau stehen und untergewichtige Teenager mit grau gefärbten Haaren Anti-Aging-Kosmetik verwenden, so ist doch nicht alles erlaubt, vor allem nicht, wenn es um Gesundheitsprodukte geht.

Im Grunde hat sich die EU Gesundheitsbehauptungen bereits 2007 vorgenommen und versucht, Verbraucher vor Irreführungen zu schützen. Da heißt es recht eindeutig: "Gesundheitsbezogene Aussagen müssen wahr und belegbar sein." Und: "Gesundheitsbezogene Behauptungen, die nicht ausdrücklich erlaubt wurden, sollten nicht verwendet werden."

Ein Blick auf die Liste der erlaubten Behauptungen zeigt: Sie sind erstens sehr konkret und zweitens nicht gerade überwältigend; da wird die Darmtätigkeit angeregt, dort leistet etwas einen Beitrag zu normalem Haarwachstum oder ein anderes Produkt unterstützt eine normale Blutbildung. Nichts, was wahnsinnig zum Kauf animiert.

Zahnlose Regelung

Deshalb stehen auf den meisten Produkten eben ganz andere Sachen. Der Blick auf diverse Nahrungsergänzungsmittel und andere angeblich gesundheitsfördernde Produkte zeigt wiederum, dass die Verordnung der EU keinen besonderen Einfluss zu haben scheint. Vor allem der Grundsatz "was nicht ausdrücklich erlaubt ist, sollte nicht verwendet werden" wird großräumig umgangen.

Versprochen wird, was so gut wie gar nicht überprüft werden kann: "Regeneriert die Zellen", "Fördert die Gesundheit", "Aktiviert das Immunsystem". Klingt doch schon viel besser, nur: Mit "wahr und wissenschaftlich belegt" sieht es schlecht aus. Häufig werden diese Versprechungen abgeleitet aus isolierten Inhaltsstoffen, denen ein möglicher Effekt auf einzelne messbare Faktoren nachgesagt wird.

Als Beispiel: Bei Chiasamen preist die Marketing-Maschinerie den hohen Anteil der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure an und stilisiert die kleinen Körnchen zum Superfood hoch. Alpha-Linolensäure wird nachgesagt, dass sie sich positiv auf Herz und Kreislauf auswirkt. Doch erstens ist das keinesfalls gut abgesichert, und zweitens ist unklar, ob die Alpha-Linolensäure aus Chiasamen überhaupt gut vom Körper aufgenommen werden kann.

Notwendigkeit fraglich

Häufig entbehren die Behauptungen jeglicher rationaler Basis. So sollen Nahrungsergänzungsmittel mit Silizium die Knochen stärken, Nägel und Haare festigen und die Haut elastischer machen. Dabei ist fraglich, ob der menschliche Körper Silizium überhaupt benötigt und verwerten kann.

Viele Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller positionieren ihre Produkte trotz fehlender wissenschaftlicher Grundlage als generelles Muss für ein gesundes Leben, beispielsweise die Firma Vemma. Die Produkte-Website der Firma LaVita wiederum wirbt mit dem Slogan "Rundum gesund und fit" und dem Versprechen "In 3 Monaten ein neuer Mensch". Behauptungen, die sich kaum objektiv überprüfen lassen. Zudem preist sie ihre Produkte als "Testsieger gegen Müdigkeit" an. Haltbare Belege dafür gibt es nicht.

Klinisch getestet (und durchgefallen?)

Dubios sind auch Behauptungen wie "klinisch getestet" oder "wissenschaftlich erwiesen". Behauptung eins ist schon beinahe humorvoll, weil sie das Ergebnis des Tests ja nicht beinhaltet – schön, wenn die neue Zahncreme klinisch getestet wurde, aber interessant wären dann ja wohl eher die Ergebnisse des Tests und nicht die Tatsache, dass getestet wurde.

"Wissenschaftlich erwiesen" ist komplizierter. Eigentlich würde dahinter die Debatte stehen, wie gut die Beweise sein müssen, damit wir etwas als erwiesen anerkennen. In der evidenzbasierten Medizin gibt es ein aufwendiges System, mit dem jeweils die gesamte Bandbreite an Studien bewertet wird. Am Ende gibt es eine Aussage dazu, wie sehr wir auf etwas vertrauen. In der Werbung wird es – nun ja – einfach behauptet. (Gerald Gartlehner, 20.5.2016)