Bild nicht mehr verfügbar.

Niederschmetternde Diagnose für Frankfurt-Verteidiger Marco Russ, der dennoch im Relegationsmatch gegen Nürnberg auflaufen will.

Foto: AP/ Martin Meissner

Frankfurt/Main – Existenzängste, Rachegelüste, Fanfeindschaften, dazu die Schockdiagnose von Marco Russ: Die Emotionen kochen hoch vor der nervenaufreibenden Relegation in der deutschen Bundesliga zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg. Von "zwei Endspielen im Europapokal-Modus" spricht Eintracht-Coach Niko Kovac – und in der Tat: Es steht viel auf dem Spiel, auch für die Österreicher Georg Margreitter, Guido Burgstaller (Nürnberg) und Heinz Lindner (Frankfurt). Während die beiden Erstgenannten mit einem Einsatz rechnen dürfen, wird der frühere Austria-Goalie einmal mehr nur auf der Bank Platz nehmen.

Millionen stehen auf dem Spiel

Während der Club mit aller Macht in die Beletage zurückkehren und so den finanziellen Abgrund verlassen will, wollen die Frankfurter diesen keinesfalls erreichen. Bei einem Abstieg drohen alleine bei den TV-Geldern Verluste von 15 Millionen Euro. Zudem müsste der Spieleretat um rund 18 Millionen Euro gekürzt werden. Außerdem soll die Eintracht einen neuen, spendableren Hauptsponsor in der Hinterhand haben – doch hängt auch dessen Unterstützung von der Ligazugehörigkeit ab.

Die Millioneneinbußen sollen mit kontrollierter Offensive verhindert werden. "Wir dürfen nicht alles auf eine Karte setzen. Es gibt vier Tage später noch ein Rückspiel", sagt Kovac vor dem ersten Duell am Donnerstag (20.30 Uhr, Sky und ARD) in der Frankfurter WM-Arena. "Wir müssen in unserer Planung beide Spiele im Auge haben. Ich bin nicht so naiv, an eine Entscheidung schon im Hinspiel zu glauben."

Tumordiagnose bei Verteidiger Russ

Am Mittwochabend rückte das sportliche Geschehen in den Hintergrund: Bei Eintracht-Verteidiger Russ wurde eine schwere Tumorerkrankung diagnostiziert. Demnach hatte die Nationale Anti-Doping-Agentur den Verein über eine positive Dopingprobe des Spielers informiert – einen auffällig hohen Wert des Wachstumshormons HCG. Der 30-Jährige wurde daraufhin von einem Urologen untersucht, der die Tumorerkrankung diagnostizierte. Russ möchte am Donnerstag offenbar dennoch eingesetzt werden: "Trotz der tragischen Diagnose erklärt sich der Spieler spielbereit, was von ärztlicher Seite bestätigt wurde", gab die Eintracht bekannt.

Die Psychospielchen begannen derweil schon weit vor dem Anpfiff, Nürnbergs Trainer Rene Weiler erhöhte dabei den Druck auf die Hessen. "Wir sind nicht die Favoriten", sagte der Schweizer. Aber: "Mut, Zuversicht und Freude sind groß." Auf der anderen Seite lobte Sportdirektor Bruno Hübner die Franken, er sprach von einem "sehr starken" Gegner, der "keinesfalls" unterschätzt werden darf.

"Relegationsmonster" Raphael Schäfer

Ausschlaggebend für Erfolg und Misserfolg könnten die Torhüter werden. Auch wenn Frankfurt mit Hradecky einen Spitzengoalie hat – der Vorteil liegt beim Club und Raphael Schäfer. Der besitzt anders als Hradecky bereits Relegationserfahrung und weist eine bärenstarke Statistik auf: Als sich die Franken 2009 und 2010 in den vier Duellen um Auf- und Abstieg durchsetzten, kassierte Schäfer kein einziges Gegentor. Vom "Relegationsmonster" schrieben Frankfurter Medien. "Ich werde versuchen, den Jüngeren den Druck zu nehmen", sagt der 37-Jährige. "Sie sollen einfach die Geilheit auf die Spiele behalten. Die Rolle des Favoriten liegt beim Bundesligisten. Er hat den größeren Druck und daher auch mehr zu verlieren."

Auf die Frankfurter trifft das aber nur bedingt zu. Zwar käme der Abstieg einer Katastrophe gleich, weil da die Sportgemeinde Eintracht Frankfurt vor wenigen Wochen noch als sicherer Absteiger gehandelt worden war, herrschen nun wieder Aufbruchstimmung und Zuversicht. Der scheidende Vorstandsboss Heribert Bruchhagen ist "überzeugt, dass das Team die nötige Moral zeigen und über die Relegation zum Erfolg kommen wird".

Frankfurts gute Erinnerungen an 1999

Mit Rettungen in letzter Minute hat die Eintracht Erfahrung. 1999 hatte sie sich durch ein spektakuläres 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern am letzten Spieltag oben gehalten. Leidtragende waren die Nürnberger. Nicht zuletzt die Ereignisse von damals haben die Feindseligkeiten der Ultra-Gruppen beider Lager verschärft, Nürnberger Anhänger sollen in Frankfurt zuletzt S-Bahnen mit dem Schriftzug "Scheiß SGE" beschmiert haben. (sid, 19.5.2016)

Deutsche Bundesliga, Relegationshinspiel, Donnerstag

Frankfurt: Hradecky – Regäsel, Abraham, Russ, Oczipka – Hasebe, Stendera – Aigner, Huszti, Ben-Hatira – Meier – Trainer: Kovac

Nürnberg: Schäfer – Brecko, Margreitter, Bulthuis, Sepsi – Behrens, Möhwald – Kerk (Gislason), Leibold – Füllkrug, Burgstaller – Trainer: Weiler

Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)